Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen

Rassistischer Auflauf am 23.01.16 in Lüneburg

In Lüneburg versammelten sich am Sonntag, den 23. Januar 2016 knapp 90 Personen zu einer rassistischen Versammlung auf dem Marktplatz. Diese Veranstaltung war vorher weder bei den Behörden angemeldet noch öffentlich beworben worden. Die Mobilisierung fand ausschließlich über russischsprachige Soziale-Medien und per SMS statt. Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern handelte es sich um sog. Aussiedler aus Rußland, die zumeist als „Russlanddeutsche“ bezeichnet werden.

Die Versammlung stand im Zusammenhang mit einer bundesweiten Aktion. In vielen Städten in Deutschland fanden ähnliche Veranstaltungen statt. In Berlin kamen 700 Menschen zusammen. Darunter auch Angehörige der rassistischen „Bärgida“-Gruppierung, dem Berliner Ableger von PEGIDA. In Hamburg kamen mehr als 1000 Personen zusammen. In Uelzen versammelten rund 70 Personen vor dem Rathaus.

Aufhänger für diese rassistische Mobilisierung waren Berichte über eine angebliche Entführung und Vergewaltigung eines 13-jährigen Mädchens. Nachdem am 11. Januar ein Mädchen aus einer russlanddeutschen Familie in Marzahn-Hellersdorf kurzzeitig vermisst gemeldet worden war, kursierten schnell Gerüchte, dass sie von drei Flüchtlingen entführt und vergewaltigt worden sei. Die Berliner Polizei dementierte die Vorwürfe. „Fakt ist – nach den Ermittlungen unseres LKA gab es weder eine Entführung noch eine Vergewaltigung“, erklärte ein Sprecher. Im russischen Staatsfernsehen „Russia Today“ und seinem deutschen Ableger sowie auf diversen rassistischen Seiten in den sozialen Netzwerken wurde der Fall allerdings als Fakt hingestellt, unter anderem auch von der NPD.

Die Versammlung auf dem Marktplatz in Lüneburg begann kurz nach 14 Uhr. Nach und nach trafen dort Grüppchen, vorwiegend Männer, ein. Zunächst standen sie lose in Gruppen herum. Transparente oder Redebeiträge gab es nicht und wenig machte einen Charakter einer Versammlung nach außen deutlich. Nur eine kleine Gruppe schien als Wortführer*innen die einzelnen Grüppchen anzusprechen. Nur einmal schien es, das eine Frau zu den Anwesenden sprechen wollte.

Nach eigenen Verlautbarungen der Versammelten, ging es ihnen darum eine Bürgerwehr in Lüneburg zu gründen, um „ unsere Mädchen und jungen Frauen zu beschützen“. Trotz der umfangreichen Berichterstattung über den angeblichen Vorfall in Berlin, behaupteten die anwesenden Kundgebungsteilnehmer*innen, das die Medien den Fall „verschwiegen“ und „vertuschen“ würden. Gängige Bezeichnung für die Medien war der Begriff „Lügenpresse“. Zwei Personen nannten als Grund für die angeblich falsche Berichterstattung der Medien, dass diese „in der Hand von Juden“ wären. Neben diesen antisemitischen Ausfällen, äußerten sich viele der Teilnehmer*innen immer wieder rassistisch. Flüchtlinge wurden pauschal als „Kriminelle“ und „Vergewaltiger“ bezeichnet. Ihre Aufgabe sahen sie darin, die „deutschen und christlichen Eigenschaften“ gegen die muslimischen Zuwanderer zu beschützen. Immer wieder war zu hören, das Flüchtlinge sich nicht integrieren könnten und „hiesige Werte“ nicht akzeptieren würden, das sie „anders als wir“ wären. Die Polizei und Regierung würde nichts zum Schutz der Bürger*innen unternehmen, deshalb müssten sie ihren Schutz jetzt selbst in die Hand nehmen. Wobei auch die eigene Bewaffnung angekündigt wurde, um gegen „die Flüchtlinge“ vorzugehen. Ein Kundgebungsbesucher meinte, dass „ein kleiner Hitler“ wieder von Nöten wäre, um Ordnung in Deutschland zu schaffen. Als Lösung aller Probleme wurde die Ausweisung aller „Ausländer“ und „Islamisten“ gefordert. Insgesamt wurde ein Sammelsurium von Verschwörungstheorien, rassistischen Ressentiments und bewundernde Äußerungen für Putin vertreten. Die Versammlung stellte sich als „russlanddeutsche“ Variante von PEGIDA dar. Hier trafen sich Menschen, die ihre Verbitterung über den politischen und sozialen Status quo, ihre Angst vor der Gegenwart und Zukunft und den vermeintlich Fremden zur heroischen Geste umdeuten und auf Menschen eintreten, denen es noch schlechter geht.

Kurz nach Beginn der Versammlung trafen mehrere Antirassist*innen und Antifaschist*innen am Marktplatz ein, um gegen den rassistischen Auflauf zu protestieren. Nachdem die Versammlungsteilnehmer*innen realisierten, dass es hierbei nicht um eine Sympathiebekundung handelte, reagierten sie mit wüsten Beleidigungen und Bedrohungen. Auch wurden Protestierende getreten und es wurde versucht, die Transparente zu entreißen. Einige Männer drohten mit der Vergewaltigung von protestierenden Frauen. Andere versuchten mit Hitler-Grüßen zu provozieren.

Rund 50 Menschen kamen spontan zum Protest auf dem Marktplatz zusammen, um die Zusammenrottung von Rassist*innen in Lüneburg nicht hinzunehmen und eine öffentlichkeitswirksame Aktion oder Umzug durch die Stadt zu verhindern. Als sich die rassistische Versammlung nach zwei Stunden wieder aufgelöst hatte, beendeten auch die Antirassist*innen und Antifaschist*innen ihre Aktion. Mit dem spontanen Protest konnte ein öffentlichkeitswirksamer Auftritt von Rassist*innen auf dem Marktplatz und die Instrumentalisierung von Opfern sexualisierter Gewalt für rassistische Hetze verhindert werden.

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