Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen

„Wer heute gegen Muslime hetzt, hetzt morgen gegen Juden“

Gemeinsam gegen Antisemitismus & Rassismus

Die Lüneburger Kreistagsfraktion der AfD hat in den nächste Kreistagssitzung am 25. Juni 2018 eine „Resolution gegen Antisemitismus“ eingebracht. Was auf den ersten Blick wie ein schlechter Witz daherkommt, lässt einem bei genauerer Betrachtung des Antrags doch die Faust ballen.

Der Antrag der AfD ist bewusst so formuliert, dass eigentlich jede andere Fraktion ihn unterzeichnen könnte und stellt eine Selbstverständlichkeit dar. Doch das Ganze hat einen rassistischen Hintergrund und ist von der AfD rein taktisch angelegt. Die Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen hat sich jetzt an die Fraktionen im Lüneburger Kreistag gewandt und sie aufgefordert, den Antrag abzulehnen und sich deutlich gegen Antisemitismus zu positionieren.

An die Fraktionen im Lüneburger Kreistag:

Die Lüneburger AfD hat für die nächste Kreistagsitzung am 25. Juni 2018 eine „Resolution gegen Antisemitismus“ eingebracht. In ihrem Antrag fordert die AfD die „uneingeschränkte Solidarität mit den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern“ und „verurteilt jegliche Art von Diskriminierung und Gewalt“.

Der Antrag der AfD ist bewusst so formuliert, dass eigentlich jede andere Fraktion ihn unterzeichnen könnte und stellt eine Selbstverständlichkeit dar. Die AfD versucht mit dieser Resolution sich als „judenfreundliche“ Partei darzustellen, die vorgibt, sich gegen Antisemitismus zu stellen. Doch bei genauer Betrachtung erkennt mensch dies als rein taktisches Manöver mit rassistischem Hintergrund. Ohne es konkret zu benennen, ist dieses Statement „gegen Antisemitismus“ eng mit einer Positionierung gegen Einwanderung verbunden. Wenn die AfD von „aktuellen antisemitischen Ereignissen“ schreibt, dann meint sie die zu Recht zu verurteilenden antisemitischen Attacken in Bezug auf den Israel/Palästina Konflikt, die auch von Fanatikern aus arabischen und muslimischen Communities verübt wurden.

Die Bekämpfung von Antisemitismus ist für die AfD nur dann ein Thema, wenn dies gegen Einwanderung allgemein und gegen Muslim*innen im Konkreten verwendet werden kann. Rechte Kreise pflegen ein instrumentelles Verhältnis zu Jüd*innen und Israel. Islamisch motivierter Antisemitismus ist vielen ein willkommenes Vehikel, um pauschal gegen Muslime zu polemisieren. Und Israel gilt wegen seines konsequenten Vorgehens gegen islamistischen Terrorismus gewissermaßen als Frontstaat gegen den Islam. Bezogen auf muslimischen Antisemitismus agieren diese Gruppierungen nach dem Motto: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Sie wollen ein Schlagwort vor allem instrumentalisieren, um ihren Rassismus gegen Muslime zu legitimieren.

Doch Antisemitismus ist kein importiertes oder ein erst seit wenigen Jahren existentes Problem in Deutschland. Die deutsche Geschichte ist durchzogen von Antisemitismus. Die Ausgrenzung, Verfolgung, die Pogrome und Massenvernichtung von Jüd*innen ist zentrales Merkmal der deutschen und europäischen Geschichte, die aber nicht auf die Zeit von 1933 bis 1945 zu beschränken ist. Ohne den strukturell vorhandenen und durch Stichwortgeber wie Martin Luther befeuerten Antisemitismus, ist der eliminatorische Antisemitismus der Nationalsozialisten nicht zu verstehen.

Die von der AfD eingebrachte Resolution zeigt, dass die AfD ein einseitig instrumentelles Verhältnis zum Thema Antisemitismus hat, das für die AfD nur dann wichtig wird, wenn es sich mobilisieren lässt gegen andere Minderheiten, insbesondere gegen muslimische Communities in Deutschland und gegen Flüchtlinge. Andere Facetten des Antisemitismus thematisiert die AfD nicht. Vor kurzem äußerte die AfD-Frontfrau Beatrix von Storch im Bundestag, dass „Antisemitismus ein Angriff auf unsere westliche Zivilisation“ sei. Auch anhand dieser Äußerung zeigt sich deutlich, dass es mit dem Kampf gegen Judenhass nicht so weit her ist. Zusammen mit ihrem Mann betreibt sie ein Vereinsnetzwerk, zu dem auch das Onlineportal „Freie Welt“ gehört. Dort wird das klassische antisemitische Märchen von der jüdischen Weltverschwörung aufgewärmt. Über den US-amerikanischen Investor George Soros liest man etwa: „Von der US-Wahl bis zur Ukraine: Oligarch George Soros mischt überall mit.“ Dieser sei ein „international tätiger Strippenzieher“. Und der heutige französische Präsident und „Ex-Rothschild-Banker“ Emmanuel Macron „löst Merkel als Hauptmarionette der Finanzglobalisten ab“, heißt es auf der Webseite.

Das der Antrag der AfD nur ein taktisches Manöver ist, zeigt auch ein Blick in ihr Wahlpogramm zur letzten Bundestagswahl, wo die rechte Partei fordert, „die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus […] aufzubrechen“.

Ein deutliches Beispiel für den Antisemitismus in der AfD ist Wolfgang Gedeon. Der baden-württembergische AfD-Politiker gehört wegen offen antisemitischer Äußerungen zu den umstrittensten Figuren der Partei. „An der Antisemitismus-Zionismus-Frage wird sich weisen, aus welchem Holz die AfD geschnitzt ist“, schrieb Gedeon auf seiner Website. Er forderte von seiner Partei eine klare Distanzierung vom „israelischen Zionismus“. In einem seiner Bücher findet sich der Satz: „Wie der Islam der äußere Feind, so waren die talmudischen Ghetto-Juden der innere Feind des christlichen Abendlandes.“

Und glaubhaft ist die AfD und ihr Antrag nicht, wenn der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke, „nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ forderte und das Holocaust-Mahnmal in Berlin als ein „Denkmal der Schande“bezeichnete.

Auch ein Blick nach Lüneburg zeigt, wie verlogen der Versuch der AfD ist, sich als „Beschützer“ von jüdischen Bürger*innen zu inszenieren. Empört zeigen sie sich, wenn sie mit dem Finger auf andere zeigen können, aber der eigene Antisemitismus wird verschwiegen.

Wo war die Empörung der Lüneburger AfD, als ihr Kreisverbandsmitglied und heutiger Mitarbeiter der Bundestagsfraktion, Thomas Egerland, am 16. Dezember 2017 ein Bild auf Facebook postete, welches eine Tafel der „Gedächtnisstätte Guthmannshausen“ in Thüringen zeigt. Diese „Gedächtnisstätte“ ist ein Verein von Geschichtsrevisionisten und Holocaustleugnern und ein bedeutender Treffpunkt von verschiedensten extrem rechten und neonazistischen Gruppierungen.

Wo war die Empörung der Lüneburger AfD, als ihr Kreistagsabgeordneter Martin Dingeldey, im Dezember 2017 auf Facebook die rechte Zeitschrift „Neue Ordnung“ aus Österreich bewarb. In dieser Zeitschrift finden sich unkritische bzw. positive Aussagen über ideologische Grundlagen des Faschismus (völkischer Nationalismus, Elitedenken, Aufbau eines organischen Staates – vergleichbar mit der Ideologie der „Volksgemeinschaft“) sowie dessen Frontstellung zur Demokratie, zum Individualismus und zum Liberalismus ebenso wie nationalistische bis „revisionistische“ Geschichtsbetrachtungen zu den Themen Auschwitz und Zwangsarbeiter*innen. Einzelne Beiträge beinhalten die Propagierung antisemitischer und rassistischer Ressentiments sowie die Verächtlichmachung von Minderheiten.

Wo war die Empörung der Lüneburger AfD, als ihr Parteivorsitzender Alexander Gauland mit dem widerwärtigen und geschichtsvergessenen Satz „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscherGeschichte“, die Shoah und die Verbrechen der Nationalsozialisten verharmloste.

Gerade die aktuelle Äußerung von Alexander Gauland zeigt den wahren Charakter dieser extrem rechten Partei. Wer die Verbrechen der alten Nazis verharmlost, ist der Steigbügelhalter der neuen Nazis!

Die AfD und der Antisemitismus – Zum Weiterlesen:

http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/257899/die-afd-und-der-antisemitismus

http://www.belltower.news/artikel/wie-antisemitisch-ist-die-afd-11021

Die Situation des Antisemitismus in vielen europäischen Ländern hat sich durch das Zusammenfließen extrem rechter und islamistischer Faktoren des Hasses gegenüber jüdischen Menschen zu einem völlig neuen Bedrohungsszenario ausgewachsen, dessen Dimensionen noch gar nicht zu überschauen sind. Hinzu kommt die zunehmende Indifferenz der Gesellschaft und auch subtiler Antisemitismus in der politischen Mitte. Zur notwendigen aktuellen Empörung muss deshalb jetzt auch die breite Analyse der entstandenen gesellschaftlichen Situation mit all ihren Facetten gehören. Aus der jetzigen Empörungswelle darf nicht erneut eine Eintagsfliege werden, sondern stetiges handeln gegen jeden Antisemitismus.

Wenn die AfD jetzt versucht, durch ein taktisches Manöver Antisemitismus auf Muslime zu reduzieren, dann hat das mit Sorge um in Deutschland lebende Jüd*innen nichts zu tun. Es geht ihnen einzig und allein darum, Angst vor Muslimen zu schüren.

Wir alle haben eine besondere Verantwortung für den Schutz jüdischer Menschen in Stadt und Landkreis Lüneburg. Der Kampf gegen jeden Antisemitismus sollte zentrale Aufgabe und Verpflichtung einer demokratischen Gesellschaft sein und untrennbar mit dem Kampf gegen jeden Rassismus verbunden sein.

Lüneburg, 10. Juni 2018

Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen