Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen

Solidarisch handeln – Corona überwinden!

Redebeitrag der Antifaschistischen Aktion Lüneburg / Uelzen auf der Kundgebung am 24. Januar 2022 des Bündnis solidarisches Lüneburg:

Nach unserer ersten gemeinsamen Kundgebung gegen das reaktionäre und menschenfeindliche Treiben hier auf dem Lambertiplatz, rief die Organisatorin der Veranstaltung – Frau Tapken – beim DGB an und wollte wissen, wer den rechts sei auf ihrer Demo.

Dies wollen wir jetzt anhand einiger konkreter Beispiel aber auch mit einer gesamten inhaltlichen Einordnung der Veranstaltungen von Frau Tapken beantworten.

Ja, wer ist denn da rechts?

Schon bei einer der ersten Veranstaltungen der Coronoleugner*innen und Maßnahmengegner*innen die Lüneburg stattfand, stellte die Polizei am 25. April 2020 eine Person fest, die der Reichsbürgerszene zuzuordnen ist.

Am 16. Mai 2020 nahmen Gudrun und Gerolf B. aus Toppenstedt an einer Kundgebung im Clamartpark teil. Die beiden stammen aus den völkischen Sippenverbänden – den sog. „Völkischen Siedlern – Nord-Ost-Niedersachsens. Der Vater von Gerolf B. betrieb das größte neofaschistische Antiquariat in Deutschland. Heute wird dieses vom älteren Bruder von ihm geleitet.

Das Ehepaar B. war damals in Begleitung einer Frau, die nur kurze Zeit später mit ihren Kindern das sog „Erntefest“ der NPD in Eschede besuchte.

Am 30. Mai 2020 nahm das AfD-Mitglied Simon Philipp A. an einer Veranstaltung im Liebesgrund teil. A. schrieb auch schon Artikel in der neu-rechten Publikation „Blaue Narzisse“.

Am 18. Juli 2020 konnte sich ein Angehöriger das rassistischen „Identitären Bewegung“ an der Kundgebung von Frau Tapken hier auf dem Lambertiplatz ungestört beteiligen. Das war die Veranstaltung, wo Hendrik Sodenkamp und Anselm Lenz aus Berlin sowie Kai Stuht mit seinem Bus vor Ort war. Der IBĺer Maik H. versuchte sich während des Veranstaltungsbesuchs in Meditation und zeigte dann noch Antifaschist*innen an, die Frau Tapken auf die Anwesenheit eines Rassisten auf ihrer Veranstaltung hinwiesen.

An der selben Versammlung nahm außerdem ein Frau teil, die im Jahr 2014 an einer rassistischen Kundgebung der sog. „Hooligans gegen Salafismus“ in Hannover teilnahm.

Teil der Veranstaltungen ist auch der Heilpraktiker Uwe G. aus Adendorf, der der Reichsbürgergruppierung „Königreich Deutschland“ angehört.

Die Veranstaltungen von „Querdenken“ oder heute der Initiative „Lüneburger für freie Impfentscheidung“ waren immer Anlaufpunkt für Personen aus der extrem rechten Szene und rechten Organisationen.

Im Jahr 2021 konnten bei den Infoständen von “Querdenken“ am Clamartpark Personen entdeckt werden, von denen wir wissen, das sie z.B. Veranstaltungen der neofaschistischen „Gesellschaft für freie Publizistik“ besuchten, dem Stadtverbandsvorstand der AfD angehörten, der Bruno-Gröning-Sekte zuzuordnen sind oder an einer rassistischen Kundgebung im Januar 2016 auf dem Lüneburger Marktplatz teilnahmen.

Und zuletzt konnten am 8. Januar 2022 an einem von Frau Tapken angemeldeten Aufmarsch durch Lüneburg eine Gruppe von AfD-Mitgliedern teilnehmen, u.a. der ehemalige Landesvorsitzende dieser rechten Partei Paul Hampel.

Dieser nahm auch vorgestern wieder an der Versammlung der Impfgegner*innen-Initiative auf dem Lambertiplatz teil.

Und nach zwei Veranstaltungen hier auf dem Lambertiplatz in den vergangenen Wochen blieben dann Aufkleber der neofaschistischen NPD zurück.

Nazis, Antisemit*innen und andere extreme Rechte sind von Beginn an der

Aktionen gegen die Maßnahmen zum Schutz vor der Corona-Pandemie Teil der Veranstaltungen in Lüneburg.

Die alleinige Auflistung von bekannten Rechten auf diesen Veranstaltungen würde jedoch zu kurz greifen, wenn es ohne inhaltliche Einordnung bliebe. Denn sonst würde dies nur davon ablenken, dass die grundlegende Ausrichtung der „Querdenker“-Aufmärsche auf Elementen rechter Ideologie basiert: Sozialdarwinismus, Verschwörungsideologie, Holocaustrelativierung.

Einige Beispiele, wie dies auf den Querdenker Demos in Lüneburg propagiert wurde und wird:

Sozialdarwinismus:

Als Ende November, vor gerade mal 2 Monaten, Corona Patient*innen aus Thüringen, Sachsen und Bayern in Krankenhäuser anderer Bundesländer verlegt wurden, perlte auch dies an der Ignoranz der Querdenker*innen ab und sie hielten weiterhin ihre Herzchen und Forderungen nach Aufhebung der Schutzmaßnahmen hoch.

Warum wurden sie verlegt, was wäre erfolgt, wenn sie nicht hätten verlegt werden können? Die Kapazitäten der Intensivstationen dort waren erreicht, und ohne Option auf andere Standorte hätte dies Triage bedeutet. Triage, ein Begriff aus der Militärmedizin, bezeichnet das Verfahren zur Priorisierung medizinischer Hilfeleistung bei zu knappen materiellen und / oder personellen Ressourcen für ein großes Aufkommen an Patient*innen.

Wie ignorant, in einer solchen Situation weiterhin von einer – wenn überhaupt – grippeähnlichen Erscheinung zu sprechen, man müsse nur auf sein gesundes stabiles Immunsystem vertrauen. „Survival of the fittest“ also. Zum einen haben auch Menschen ohne Vorerkrankungen einen schweren Verlauf gehabt, zum anderen ist diese Haltung zynisch und verächtlich gegenüber jenen, die ein geschwächtes Immunsystem haben.

Daher war es eine große Erleichterung für die Betroffenen, als das Bundesverfassungsgericht ihrer Klage vor einem Monat Recht gab: Aktivist*innen von AbilityWatch, einem selbstorganisierten Zusammenschluss von Menschen mit Behinderungen, haben in einer Verfassungsklage ihr Recht erkämpft, dass Menschen mit Behinderungen bei einer Triage Situation nicht benachteiligt werden dürfen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes ist eine wichtige Errungenschaft, die Umstände jedoch, die eine solche Klage notwendig machten, sind ein gesellschaftliches Armutszeugnis.

Verschwörungsideologie:

Hier erinnern wir uns an die sogenanntenMontagsmahnwachen vor einigen Jahren, als sich eine Melange aus Esoteriker*innen, Extrem Rechten und Hippies zusammentat, auch damals schon in vielen Orten die Friedensfahne neben der Reichskriegsflagge flatterte.

Wie ist das möglich, mag sich eine da fragen? Es kommt halt nicht auf das äußere Erscheinungsbild drauf an, ob jemand Ökoklamotten mit gefärbten dreads, Hipsterkleidung oder militaristisches Tarnoutfit trägt, sondern welche Inhalte sie von sich geben. Und die sind das Gegenteil von dem, was wir als demokratisch, friedens- oder freiheitsfördernd verstehen.

Sie bezeichnen es als alternative Fakten, gespeist aus ihren alternativen Medien. So ist es auch heutzutage wieder:

In der letzten Zeit haben wir die Versammlungen der Coronaleugner immer mal wieder aufgesucht, um zu hören, worüber die Kerzenhaltenden sich so austauschen. Es dauerte nicht lange, da waren auch schon die ersten Schlagworte der gängigen Verschörungsideologien gefallen. Der Gesprächskreis ereiferte sich zwischen Bestätigung, Selbstvergewisserung und dem Ranking, wer den Plan jetzt am besten durchschaut hätte. Was war aber die Aussage, die uns aufhorchen ließ?

Es würde aktuell ein Massenmord erfolgen. Kein Massensterben, die mittlerweile über 115.000 Coronatoten in Deutschland oder über 5 Millionen Coronatoten weltweit waren nicht gemeint. Nicht sterben, sondern morden wurde gesagt. Es wird also das aktive, grausame, heimtückische Handeln von unbekannter Seite unterstellt, um eine Menschenmasse zu vernichten.

Diese Vorstellung stellt das Fundament jeder Verschwörungsideologie dar. Aber wie kommt es zu dieser Vorstellung?

Die Welt ist ein komplexer Ort. Soziale, politische, ökonomische, ökologische Prozesse befinden sich in steter Dynamik, die auch von Konflikten, Kriegen, Krisen geprägt sind. Schon immer hatten zu Krisenzeiten Verschwörungsideologien Hochkonjunktur, was durch sie erfolgt, ist eine Reduktion von Komplexität. Anhänger*innen von Verschwörungsideologien sind nicht willens oder in der Lage, Ereignissen und Prozessen in ihrer Vielschichtigkeit und auch Widersprüchlichkeit zu begegnen, zu analysieren, strukturell zu denken und sich selbst als handelnder Teil dieser realen Prozesse zu sehen, der durch Selbstermächtigung auch mitgestalten kann.

Statt dessen wird eine Realität konstruiert, eine Welt, in der eine kleine Gruppe von Mächtigen das Geschehen der gesamten Welt lenken würde. Das klassische antisemitische Narrativ. Es wird ihnen auch gleich die Herrschaft über die Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Justiz und zentral natürlich den Medien zugeschrieben, wahlweise auch die beliebige Veränderung des Wetters. Wir Menschen erhalten in diesem Konstrukt die Rolle der manipulierten Fremdgesteuerten. Wichtig hierbei: der Glaube daran, dies alles unterliege einem vorher festgelegten Plan und noch wichtiger: es sei supergeheim, superkonspirativ, im Verborgenen geplant. Aber jetzt seien sie dahinter gekommen, hätten den Plan durchschaut und zählen sich zu den Wissenden.

Nun könnte man ja auch einfach darüber lächeln und abwinken, sind doch bloß Spinner, aber Verschwörungsideologien sind nicht harmlos, sondern eine Gefahr für Leib und Leben anderer und in ihrer Konsequenz tödlich.

Bezogen auf die Pandemie offenbart die Forderung nach einer „Durchseuchung“ der Gesellschaft ja schon den sozialdarwinistischen Charakter und verdient es, als menschenfeindlich bezeichnet zu werden. Fußen die Aussagen auf Verschwörungsideologien, dann erhält und entfacht das reaktionäre Denken und Handeln nochmal eine ganz andere Dynamik. Der große Plan, der „Große Austausch“, „the great reset“, Q Anon, Pizzagate, chemtrails, deep state, NWO, usw all dies Schlagworte von Verschwörungsideologien, mit denen die Anhänger*innen sich ein Selbstbild geben, sie befänden sich in einer Notwehrlage und müssten nun in selbsternannter Kämpfermanier Widerstand leisten.

Auch hier sind im Stadtbild holocaustrelativierende, antisemitische und verschwörungsideologische Aufkleber, Flugblätter, Parolen und auch Broschüren von Reichsbürgern aufgetaucht. Auf den ins Netz gestellten Fotos der „Freien Niedersachsen“ kann man zwischen all den Kerzen auch die Zettel lesen, die sie vor Rathäusern und zentralen Orten abgelegt haben. Neben der steten Instrumentalisierung von Kindern war dort auch zu lesen, man solle nicht „dem mainstream“,sondern alternativen Medien glauben und sie seien keine zufriedenen Sklaven, wie all die anderen.

Dabei bleibt es meist nicht, denn wir sehen bereits an anderen Orten, wozu sich diese selbst ernannten Erweckten berufen fühlen: Fälschen von Gesundheitsdokumenten (auch in Lüneburg), eigenmächtiges Austauschen von Impfstoff gegen Placebos, Drohschreiben und Mordaufrufe gegen ihnen unliebsame Personen, Fackelaufmärsche vor Privatwohnungen, tätliche Übergriffe gegen Mitarbeiter*innen, die auf die Schutzmaßnahmen hinweisen bis hin zu Mord.

Alex hieß der junge Mann, der auf seiner Arbeit vor 4 Monaten von einem Coronaleugner in den Kopf geschossen wurde, als er auf die Maskenpflicht hinwies.

Der Sturm auf das Capitol vor einem Jahr, die versuchte Stürmung des Reichstages, das Zerstören von über 70 Mobilfunkmasten, die Morde von Halle, Christchurch, Hanau, Utoya, München, Oklahoma City und zu viele weitere Orte gründen sich auf Verschwörungsideologie und dem Selbstbild, sich im Widerstand gegen eine konstruierte Diktatur zu befinden.

Eine wissenschaftsfeindliche, antidemokratische Ideologie, in der sich ihre Anhänger*innen legitimiert sehen, andere Menschen abzuwerten bis hin zur Vernichtung.

Holocaustrelativierung:

Es braucht hier keine Janas aus Kassel, das kriegen die Querdenker*innen aus Lüneburg schon ganz alleine hin: seit Monaten tauchen im Stadtbild Sprühaktionen auf, Flyer in Briefkästen, Aufkleber und zuletzt auch exklusiv auf dem Lambertiplatz in einem Redebeitrag: Holocaustrelativierung, indem sie sich als Opfer suggerieren und mit den verfolgten Jüdinnen und Juden zur Nazizeit vergleichen. Man könnte es schlicht als geschichtsvergessen, geschmacklos und widerlich bezeichnen, aber das würde zu kurz greifen. In Zeiten einer weltweiten Pandemie die Schutzmaßnamen zur Eindämmung dieser Pandemie mit der Verfolgung und physischen Vernichtung von Millionen Jüdinnen und Juden gleichzusetzen, ist eine Verharmlosung des Holocaust, eine Verhöhnung der Opfer des Faschismus und darf nicht unwidersprochen bleiben.

Das ist der Grund, warum ihre Parolen von „Frieden, Freiheit, keine Diktatur“ verlogen sind. Sozialdarwinismus, Verschwörungsideologie, Holocaustrelativierung. Darauf stoßen wir, wenn wir statt auf ihre gemalten Herzchen auf ihre Inhalte achten. Wenn manche den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen können, so kann Frau Tapken wohl die Rechten vor lauter Querdenker*innen nicht sehen.Würden sie sich also aufrichtig von diesem Gedankengut distanzieren, gäbe es nur eine Option: sich aufzulösen!

Zum Abschluss der dringende Verweis auf etwa positives: gerne pushen sich die Coronaleugner*innen in den sozialen Netzwerken, wie breit ihre Bewegung sei, jede Kerze vor jedem Dorfschild wird gepostet, als stünde die Revolution kurz bevor. Es ist mit Nichten eine Massenbewegung, die wirklich großen Demonstrationen finden seit Wochen tagtäglich statt. Allein in den letzten 7 Tagen haben sich über 3 Millionen Menschen impfen lassen. Sie haben demonstriert, dass sie nicht für ein Ende der Maßnahmen sind, sondern sie sich für ein Ende der Pandemie einsetzen. Und dies geht nur vernunftgeleitet und solidarisch. Bei einem Verweis auf das individuelle Verhalten sollte es jedoch nicht bleiben:

Wenn wir den Ausspruch „Gesundheit ist keine Ware“ ernst meinen, heißt dass für uns in der Konsequenz auch, dass es keine Profitorientierten Maxime im Gesundheitswesen geben darf. Gesundheitsversorgung, Krankenhäuser gehören in öffentliche Hand, dem Pflegenotstand muss endlich durch Taten begegnet werden, nicht durch Klatschen! Es braucht eine Einstellungsoffensive, mehr als 80.000 zusätzliche Stellen von Pflegefachkräften, um eine sichere Versorgung zu gewährleisten, höhere Löhne und vor allem einen verbindlichen Personalschlüssel, der sich am realen Bedarf orientiert.

Setzen wir uns also gemeinsam nicht nur für solidarisches Verhalten, sondern endlich auch für solidarische Verhältnisse in dieser Gesellschaft ein.

Lüneburg, 24. Januar 2022

Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen

antifa-lg-ue.org