Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen

Wir trauern um Evîn Goyî (Emine Kara), Mîr Perwer und Abdurrahman Kızıl

Am heutigen Freitagmittag (23.12.2022) wurde ein rassistischer Anschlag auf das kurdische Kulturzentrum „Centre Culturel De Kurde Paris Ahmet Kaya“ und gegenüberliegende kurdische Restaurants und ein Friseurgeschäft im 10. Stadtarrondissement von Paris verübt. Drei Menschen wurden getötet, mehrere Menschen verletzt.

Bei dem Anschlag in Paris sind nach aktuellem Stand drei Personen gefallen. Bei den Personen handelt es sich nach Angeben der Tageszeitung Yeni Özgür Politika um Evîn Goyî, Mîr Perwer und Abdurrahman Kızıl.

Evîn Goyî (Emine Kara) war seit vielen Jahren für die kurdische Freiheitsbewegung aktiv und zuletzt eine Vertreterin der kurdischen Frauenbewegung in Europa. Abdurrahman Kızıl, war ein Kurde der sich auch in der Diaspora für die Belange des kurdischen Volkes einsetzte. Mîr Perwer war ein kurdischer Musiker, der in der Diaspora für seine Lieder bekannt und geschätzt war und der Kulturbewegung TEV-ÇAND angehörte.

Berichten zufolge ist der Täter, ein 69-jähriger polizeibekannter Rassist, vor dem Kulturzentrum abgesetzt worden und hat anschließend gezielt auf Kurd*innen geschossen. Der Täter wurde von Menschen im Friseurladen überwältigt und konnte anschließend von der Polizei festgenommen werden.

Ein Vertreter des kurdischen Kulturzentrums von Paris sprach von einem gezielten Angriff auf die kurdische Community der Stadt.
Der europaweite Dachverband kurdischer Vereine KCDK-E sprach von einem Massaker, dass nicht unabhängig von der internationalen Kriminalisierung des kurdischen Willens nach Demokratie und Selbstbestimmung zu betrachten sei.

Der heutige Anschlag von Paris ist kein Einzelfall. Kurdisches Leben ist auch in Europa dauerhaft in Gefahr. Immer wieder hat es ähnliche oder vergleichbare Angriffe und Anschläge gegeben. Die Täter waren entweder irgendwelche Rassisten, Faschisten der Grauen Wölfe oder aber auch Mitarbeiter des türkischen Geheimdiensts MIT.

Fast zehn Jahre nach einem tödlichen Attentat auf Räumlichkeiten der kurdischen Befreiungsbewegung in Paris, bei dem am 9. Januar 2013 die drei kurdischen Aktivistinnen Fidan Doğan, Leyla Şaylemez und Sakine Cansız ermordet wurden, ist es erneut zu einem Anschlag in Paris gekommen.
Heute sind die Namen der Opfer von damals – Sara, Rojbin und Ronahi – Symbole der kurdischen Freiheitsbewegung und unvergessen.
Jeder Mord ist grausam und menschenverachtend. Das besonders perfide beim heutigen Anschlag ist jedoch, dass in dem betroffenen Kulturzentrum eine Versammlung zur Planung der Veranstaltungen zum 10. Jahrestag der Ermordung von Sara, Rojbin und Ronahi stattfinden sollte. Hier muss von einem geplanten und zielgerichteten Anschlag ausgegangen werden.

Heute zeigt sich auf traurige Art und Weise wohin antikurdischer Rassismus, Kriminalisierung und Nationalismus führen. Der Anschlag ist auch Ausdruck des Kriegs der Türkei, des Terrors islamistischer Milizen gegen die selbstverwalteten kurdischen Gebiete und des Rassismus in Europa. Nationalisten, Rassisten, Faschisten, Reaktionäre oder andere Rechte eint ein Rassismus, der häufig tödliche Folgen hat. Ob französischer Rassist, deutscher Neonazi oder türkischer Grauer Wolf, sie sind Brüder im Geiste.

Während der türkische Staat mit allen Mitteln weiterhin einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Rojava (Nordostsyrien) führt, Kurd*innen in Südkrdistan (Nordirak) mit Chemiewaffen angreift und in der Türkei und in Nordkurdistan eine brutale Repressionskampagne gegen die Demokratiebewegung in Kurdistan und der Türkei führt, ist kurdisches Leben auch in Europa bedroht.

Bereits seit Jahren attackiert der NATO-Staat Türkei diese selbstverwalteten kurdischen Gebiete und führt seit Jahrzehnten einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Kurd:innen. Seit Monaten werden die Angriffe intensiviert und noch brutaler durchgeführt. Dabei wird auch vor dem Einsatz von Giftgas nicht zurückgeschreckt und mit äußerster Gewalt und modernem Kriegsgerät auch gegen Zivilist:innen vorgegangen.
Vorwand für die aktuellen Angriffe war ein Anschlag in Istanbul mit sechs Todesopfern. Obwohl die Sachlage und die Täterschaft äußerst unklar war/ist versucht der türkische Diktator Erdogan den Anschlag der kurdischen Arbeiterpartei PKK und deren Verbündeten YPG und YPJ in die Schuhe zu schieben, um ihn so für seine Propaganda und nationalistische Hetze zu nutzen. Nun geht die auch mit deutschem Kriegsgerät ausgerüstete NATO-Armee gegen kurdische Kräfte auch auf syrischem Staatsgebiet vor, und das mit äußerster Brutalität und, obwohl, oder vielleicht auch gerade, weil kurdische Kräfte an vorderster Front gegen die Terrormiliz Islamischer Staat gekämpft haben und nach wie vor kämpfen. Unzweifelhaft ein Angriffskrieg mit all seinen typischen Merkmalen. Doch während das Vorgehen Russlands in der Ukraine von der gesamten „westlichen Wertegemeinschaft“ verurteilt wurde und die ukrainische Regierung sofort mit massenhaft Waffen, aber auch strategischer und moralischer Unterstützung bedacht wurde, bleiben all diese Gesten beim Vorgehen des verbündeten Erdogan-Regimes aus. Die vielbesungenen Werte der vermeintlich überlegenen Demokratien westlicher Prägung sind also nichts als Schall und Rauch. Bei Krieg und dessen Beurteilung zählt also einmal mehr nichts als das eigene Interesse und die Stärkung der eigenen geopolitischen Macht.

Während der türkische Staat mit allen Mitteln weiterhin gegen die kurdische Friedens- und Freiheitsbewegung vorgeht, lässt auch die BRD nichts unversucht, um die Kurd:innen hier klein zu halten. So kam es erst am 22. Dezember 2022 zu Razzien und Festnahmen in Nürnberg. Das Verbot der PKK in der BRD soll alle demokratischen Initiativen und Organisationsstrukturen von Kurd:innen zu Nichte machen und stellt eine massive Unterstützung für das Erdogan-Regime dar. Und zeitgleich zum Anschlag in Paris geht der der türkische Staat massiv gegen die Partei der Demokratischen Regionen (DBP) vor. In der gesamten Türkei wurden Parteibüros durchsucht und der Ko-Vorsitzende Keskin Bayındır sowie zahlreiche Vorstandsmitglieder festgenommen.

Die Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen verurteilt den Anschlag von heute in Paris und jeden anderen rassistischen Angriff. In unseren Gedanken sind wir bei den Angehörigen und Freund:innen der Opfer des Anschlags. Unsere Solidarität gilt den angegriffenen Kurd:innen.

Tod dem Faschismus!
Şehit Namirin!

Lüneburg, 23. Dezember 2022
Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen