Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen

Völkischer Maitanz

Großes völkisches Treffen in Edendorf (Landkreis Uelzen). Auf dem Hof von Ernst-Friedrich Kühl kamen rund 200 Personen zusammen, die den völkischen Sippenverbänden, den Völkischen Siedlern und extrem rechten Gruppierungen angehören. Darunter auch mehrere Familien aus dem Landkreis Uelzen.

Der blick nach rechts berichtete darüber am 4. Mai 2016.

 

Völkischer Maitanz

Von Andrea Röpke

An einer Brauchtumsveranstaltung in der Lüneburger Heide beteiligten sich neben rechten Siedlern auch Anhänger des „Sturmvogels – Deutscher Jugendbund“, der NPD und sogar der AfD.

Maitanz“ stand auf dem Schild an der Straße hinter dem Elbe-Seitenkanal von Edendorf kommend. Wie auch in den Jahren zuvor diente die Scheune des Slohhofes in der abgelegenen Lüneburger Heide nahe Uelzen völkischen Rechten als Treffpunkt für eine interne Tanzveranstaltung. Am 30. April reisten rund 200 Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet an. Unter ihnen waren vor allem junge Familien mit zahlreichen Kindern, viele bauten Zelte auf. Am späten Nachmittag kamen Fahrzeuge aus Hessen, Sachsen-Anhalt, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, der Schweiz und vor allem aus Niedersachsen. Der Auftritt war zünftig und traditionell, keine Frau trug Hose oder kurze Haare. Mehrere Musiker trugen Akkordeons und andere Instrumente in die geräumige Scheune. Es sollte die ganze Nacht getanzt werden.

In der Lüneburger Heide hat sich ebenso wie in Mecklenburg-Vorpommern ein fester Kreis aus weitläufigen rechten Familienverbänden etabliert. Deren Mitglieder sind selbstständig in Handwerksberufen, arbeiten als Lehrer oder Physiotherapeuten, die Frauen sind Hausfrauen oder üben zumeist soziale Berufe aus. Einige Familienmitglieder dieser so genannten „Sippen“ unter anderem aus Masendorf, Toppenstedt, Bienenbüttel oder Hohnstorf fielen in der Vergangenheit im Zusammenhang mit militanten Neonazi-Gruppen, verbotenen Organisationen wie der „Wiking-Jugend“, der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ oder als Anhänger der Germanischen Neuen Medizin auf.

Kinder und Jugendliche besuchen zum Teil die Lager des nationalen „Sturmvogels – Deutscher Jugendbund“. Die Frauen treffen sich untereinander, halten Spielekreise ab und organisieren Brauchtumsfeste, während sich die Männer zu Herrenabenden, Holzhacken oder Sportwettstreiten zusammenfinden. Sie sind integriert beispielsweise in den örtlichen Feuerwehren, fallen aber durch antiquiertes Outfit oder konservative, emanzipationsfeindliche und autoritäre Erziehungsmethoden auf. Insbesondere an Freien Schulen ist die teils strenge heimische Pädagogik, ein biologistisches Weltbild und die Einmischung von Eltern aus diesen Kreisen auffällig.

Schaffung einer nationalen Gegenkultur“

Brauchtumspflege wie der „Maitanz“ als rituelle Feier, dient der Stabilisierung des völkischen Lagers, dem familiären Austausch und der anvisierten „Schaffung einer nationalen Gegenkultur“. Edda Schmidt gilt unter Neonazis als Expertin für die „ureigenen“ Brauchtümer der Deutschen. Immer wieder schrieb die einflussreiche NPD-Frau aus Baden-Württemberg darüber auch in der „Deutschen Stimme“. Im September 2010 hieß es: „In unseren Festen ist trotz der Überfremdung […] die Weltanschauung des nordischen Menschen im Kern erhalten geblieben.“ Ihre politische Weltsicht hat die Dirndl-Liebhaberin an ihre inzwischen erwachsenen Kinder weitergegeben, alle vier seien mit ihren Familien im „nationalen Lager“, berichtete die Großmutter, die sich bei Schulungen für die „Reinhaltung“ des Blutes einsetzt, stolz. Schmidts eigene Mutter war Führerin des Bunds Deutscher Mädels (BDM) und der Kontinuität folgend, schickte sie die Töchter Ortrun und Irmhild zur „Wiking-Jugend“. Beide gelten nun mit ihren Familien als fester Bestandteil des Tanzvergnügens in der Lüneburger Heide.

Eingeladen hatte die in diesen Kreisen bekannte Familie Hanke, zu deren Ablegern auch „Sippenangehörige“ aus Klaber zählen. Die unter dem Schlagwort Neo-Artamanen bekannt gewordene Gruppe um Jan Krauter gilt als Bindeglied zwischen niedersächsischen und mecklenburgischen Siedlern.

Am Maitanz beteiligten sich auch die Ex-Neo-Artamanen Gunn-Heide und Huwald Fröhlich aus Koppelow. Beide Partner stammen ebenfalls aus rechten Familien. Fröhlichs Vater gehörte zum Spektrum des Hamburger Neonazis Jürgen Rieger, sein Bruder ist in der AfD aktiv. Die Kinder sollen die Lager des „Sturmvogels besuchen. Willkommen geheißen wurde auch ein ehemaliger Münchener Burschenschafter: Der mecklenburgische Neusiedler Sascha Jung mit Familie. Jung kandidiert aktuell auf der Landesliste der AfD für die Landtagswahl im September. Gemeinsam mit Jan Krauter und Irmgard Hanke nahm er Anfang Januar 2016 an einer AfD-Demonstration in Neubrandenburg teil. Dabei soll Krauter nach Augenzeugenberichten mit einer zusammengerollten Deutschlandfahne um sich geschlagen haben, als Gegendemonstranten sich näherten. Die Polizei ermittelt.

Homogene Gesellschaft in der Heide

Etwas steif beim Rundtanz über das Gelände zeigte sich Stefan Köster, Landeschef der NPD in Mecklenburg-Vorpommern. NPD-Ordner Martin Götze, der einen Baumfälldienst in Mecklenburg betreibt, begrüßte anwesende Männer in dicken Islandpullovern und Lederbüxen. Während Kösters und Götzes Parteifreunde im heimischen Jamel in eher heterogener Gesellschaft den Tanz in den Mai begangen, zogen die Traditionalisten die homogene Gesellschaft in der Heide vor.

Der im Verborgenen agierende „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ schien überproportional beim Maitanz vertreten, denn nicht nur die älteste Tochter der hessischen Familie Godenau war aus Mecklenburg angereist und hielt regelrecht Hof vor dem Eingang zur Scheune, sondern neben den vielen lokalen Anhängern war auch ein junger Schweizer Anführer der Kindererzieher-Truppe dabei.

Der Ort für den Maitanz ist kein Zufall. Ganz in der Nähe hatte der 2008 verstorbene  Apotheker Wolfgang Fachmann seine „Mohren Apotheke“ mit Runen im Gebälk. Er war Referent bei den neonazistischen, militanten Hetendorfer Tagungswochen von Jürgen Rieger und veröffentlichte 1987 eine ganzseitige Traueranzeige für Rudolf Heß in einem Uelzener Anzeigenblatt. Seine Kinder und deren Familien beteiligten sich am Maitanz, nahmen aber auch zum Teil schon an Treffen der rassistischen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft“ teil.

Feldstein mit Wolfsrune an der Auffahrt

Verwandt mit den traditionellen Maitanz-Organisatoren, der Familie Hanke, ist auch der Clan um Familienoberhaupt Hellmut M. aus Hohnstorf. Die Auffahrt seines Hofes ziert ein Feldstein mit einer Wolfsrune, dem Symbol der „Wiking-Jugend“. Daneben steht ein neueres Schild gegen den Bau der geplanten Autobahn 39. M.s Anwesen wurde im Zuge der Ermittlungen gegen die 2009 verbotene „Heimattreue Deutsche Jugend durchsucht“, eine Waffe wurde gefunden. Zwei seiner Töchter tauchten bereits in Polizeiakten im Umfeld rechtsextremer Aktivitäten auf.

Neonazi-Feiern wie der Maitanz sind vermeintlich harmlos. Niemals geht es nur ums reine Vergnügen. Auch wenn zum Beispiel Neonazi Sven Krüger in Jamel fast autoritär verkündet: der Maitanz in seinem Dorf, sei „ausdrücklich als unpolitisch anzusehen“, müssen braune Brauchtumsfeiern viel mehr in den Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gelangen. Denn hier werden NS-Traditionen, Elitegebaren und „Volksgemeinschaft“-Gedanken ungefiltert auch an die Kinder weitergegeben. Bei der Sommersonnenwende 2015 in Jamel sangen Krüger und seine Anhänger im großen Kreis am Feuer ein Lied der Hitlerjugend.

Auch der Maitanz in Edendorf trägt Hintergründiges in sich. So nahmen Baldur und Antje B. mit ihrer kleinen Tochter Sighild vor Jahren teil. 2009 starb die vierjährige Diabetikerin qualvoll, weil ihre Eltern ihr nicht ausreichend Insulin verabreicht hatten. Im Prozess kam zur Sprache, dass die Familie damals zu den rechten Siedlern in der Lüneburger Heide zählte und beide Elternteile aus Neonazi-Familien stammten. Der Schulmedizin wurde kritisch begegnet. Antje B. besuchte die Germanische Neue Medizin-Kreise von Schmidt-Tochter Irmhild, hieß es vor Gericht. Einen Arzt dagegen suchten die Eltern mit dem schwerkranken Kind nach der ersten Diagnose nicht wieder auf. Auch der Notdienst wurde spät gerufen. Die B.s wurden Anfang 2015 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Die kleine Sighild liegt auf der „Ahnenstätte Conneforde“ begraben.

Blick nach Rechts – 4. Mai 2016

http://www.bnr.de/artikel/hintergrund/v-lkischer-maitanz

 

· Schlagwörter: , , , , ,