Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen

Ew nikarin roja me taribikin – Sie werden unseren Tag nicht verdunkeln können!

Zum zwanzigsten Todestag von Andrea Wolf – Ronahi

Am 23. Oktober 1998 wurde Andrea Wolf gemeinsam mit mindestens 24 weiteren Kämpfer*innen
 der kurdischen Guerilla in den Bergen Kurdistans bei einem Massaker ermordet.
 Sie wurde mit mindestens zwei weiteren Kämpferinnen lebend gefangen genommen, verhört und zu Tode gefoltert, anschließend wurden ihre Leichen weiter misshandelt und verstümmelt.
 Zu Andrea und den über 40 Menschen, die vom 22. bis 24. Oktober 1998 in den Bergen von Catak ermordet wurden, kommen tausende und tausende weitere gefolterte, verschwundene und ermordete Menschen dazu, die in den letzten Jahren in der Türkei und in Kurdistan von der türkischen Armee getötet wurden.

Andrea Wolf – Ronahi hatte sich als Internationalistin der kurdischen Frauenarmee und der PKK angeschlossen, um gemeinsam zu kämpfen.

Die einzige Möglichkeit unseren Kampf zu artikulieren ist, ihn zu leben. Im Knast nicht klein bei geben, bei sich bleiben, sich und die anderen nicht verraten…“ Andrea hat so gelebt. Nicht klein beigeben, sich nicht unterwerfen. Für die eigenen Ziele eintreten. So ist das Leben und die Geschichte von Andrea Wolf seit Anfang der 1980er Jahre auch eine Geschichte des Widerstandes.

Andrea wurde am 15. Januar 1965 gemeinsam mit ihrem Zwillingsbruder Tom in München geboren, wo sie auch aufwachsen. Sie beginnt früh sich zu engagieren und sucht nach radikalen Wegen. Zum Beispiel Anfang der 1980er Jahre in der Bewegung „Freizeit 81“, die eine Einheit von Kampf, Kunst, Punk und Politik herstellen wollte. Bereits als 16jährige wird sie deshalb das erste Mal verhaftet und für sechs Monate in den Frauenknast Aichach eingesperrt. Ab 1985 baute sie den Münchner Infoladen mit auf, beteiligte sich an Aktionen gegen alte und neue Nazis, wie dem SS-Treffen in Nesselwang, gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Bonn, die Startbahn West bei Frankfurt/Main und die atomare Wideraufbereitungsanlage in Wackersdorf.

Immer wieder war Andrea auf der Straße, war treibende Kraft in Auseinandersetzungen und Organisationsprozessen. 1986 zog Andrea nach Frankfurt und Offenbach. Hier wurde sie aktiv in der autonomen Frauenbewegung, bei Hausbesetzungen und beim Aufbau von überregionalen Strukturen und Vernetzungen.

1987 zieht die staatliche Repression auch als Folge der Ausweitung militanter Kämpfe und bewaffneter Aktionen der revolutionären Linken erheblich an. So wird auch Andrea durch einen Polizeispitzel denunziert und erneut verhaftet. Nach drei Monaten im Frauengefängnis Preungesheim muss sie wieder entlassen werden, da die Lügen allzu offensichtlich sind. Trotz der Bedingungen der Isolationshaft konnte sie mit anderen politischen gefangenen Frauen Kontakt aufnehmen, was ihr Legen entscheidend veränderte: die Freiheit der politischen Gefangenen und der Kampf gegen die Folter bekam sehr großes Gewicht in ihrem Leben.

Danach organisiert sich Andrea in einem militanten Kollektiv der antiimperialistischen Linken, später in der Gruppe „Kein Friede“ und wird Gründungsmitglied von Libertad!.
Die Diskussion und Zusammenarbeit mit revolutionären Organisationen und Bewegungen wird ihr immer wichtiger, ob in Mittelamerika, in Europa und der Türkei. Aber auch die konkrete Intervention gegen Rassismus auf der Straße und den Parlamenten war ihre Sache. So beteiligte sie sich initiativ und engagiert an der Schaffung von antirassistischen und antifaschistischen Stadtteilgruppen und einem Notruftelefon.

Nach der Polizeiaktion in Bad Kleinen 1993, bei der durch Verrat Wolfgang Grams erschossen wurde, gerät Andrea erneut ins Visier. Das BKA behauptete, Andrea sei an der Sprengung des Knastneubaus durch die RAF beteiligt gewesen, obwohl sie sich zu diesem Zeitpunkt nachweislich in Mittelamerika befand. Später wird das Verfahren eingestellt.

Nach mehreren Hausdurchsuchungen beschließt Andrea, in die Illegalität zu gehen. Später geht sie von dort aus im Januar 1997 nach Kurdistan.

Andrea hatte sich schon lange vor der Zuspitzung der Repression eine Beziehung zur kurdischen Befreiungsbewegung und sich entschlossen nach Kurdistan zu gehen, um dort für einige Zeit am Befreiungskampf teilzunehmen. Früher hatte sie sehr viele Widersprüche zur PKK. Die Diffamierung des kurdischen Befreiungskampfes beeinflusste auch sie. Andrea aber setzte sich mit dem Internationalismus der PKK auseinander und stieß dabei auf den Befreiungskampf der Frauen und dessen Rolle in der Revolution der PKK. Die Entwicklungen der Frauenarmee der YAJK übte eine besondere Anziehungskraft auf sie aus. Sie wollte sie kennenlernen, hier wollte sie Erfahrungen sammeln und natürlich auch ihre Erfahrungen einfließen lassen.

Der Anschluss an die Guerilla der PKK, an die Frauenarmee der YAJK hatte für sie vor allem ein Ziel: Die Revolution in Kurdistan kennen zu lernen, von ihr zu lernen, um für die Kämpfe in Europa neue Ansätze zu finden. In Briefen aus den Bergen Kurdistans berichtete sie über den Befreiungskampf der Frauen in Kurdistan, über die Versäumnisse der Linken in der BRD, die neuerschaffenen Werte des Kampfes der PKK und welche Impulse sie für den Kampf in der BRD geben können. Mit dem Anschluss an die PKK nannte sich Andrea Ronahi, was auf deutsch Licht bedeutet.

Ihre Teilhabe am kurdischen Befreiungskampf ist aktueller denn je. Denn die Entscheidung von Andrea, in den kurdischen Bergen bewaffnet gegen Ausbeutung und Unterdrückung und gemeinsam mit den Menschen in Kurdistan für ein befreites Leben zu kämpfen, ist heute aktueller denn je. Wie 1998 und danach immer wieder, gibt es auch heute Mut machende wie alarmierende Nachrichten aus Kurdistan. Mut macht das Projekt Rojava im syrischen Teil Kurdistans, wo versucht wird befreites Leben im Albtraum von blutiger Diktatur und religiösem Wahnsinn zu schaffen und zu verteidigen. Aber die Bedrohung dieses Projekts und Angriffe der türkischen Armee gemeinsam mit islamistischen Gruppierungen alarmieren uns auch.


Andrea Wolf schrieb am 1. Mai 1997 in den Bergen Kurdistans diesen Satz auf:
„Ich würde mir wünschen, dass es in den Metropolen Bewegungen gäbe, die diesen Krieg angreifen, unmöglich machen würden. Einfach den Nachschub kappen. Ich weiß, es ist angesichts des Zustands in den Metropolen utopisch (…) Auch auf längere Zeit wird es so bleiben. Schade, das wäre was. Eine militante Bewegung, die die Kriegsmaschine lahmlegt.“ Dieser Wunsch, diese Haltung und Handlungslinie ist heute genau so richtig und dringend: Rojava verlangt heute nach Unterstützung. Andrea wusste, dass es auch in der Verantwortung der Linken in den kapitalistischen Kernstaaten des Imperiums liegt, ob und wie sich revolutionäre und emanzipatorische Entwicklungen woanders entfalten können.

Wir müssen gemeinsam kämpfen, wie wir von einander lernen müssen. Danach hat Andrea versucht zu leben. Deswegen – und erst Recht: Hoch die internationale Solidarität!

Wir gedenken heute unserer Genossin Andrea Wolf-Ronahi. In dem Bewusstsein, dass Widerstand keine anonyme oder abstrakte Angelegenheit ist, sondern dass der Kampf um eine bessere Gesellschaft immer von Menschen selbst in die Hand genommen wurde und wird.

Serhit namerin – Unsere gefallenen Revolutionärinnen und Revolutionäre sind unsterblich!

 


Veranstaltungen anlässlich des 20. Todestag von Andrea Wolf

Gedenkveranstaltung: Sonntag, 18. November 2018

Internationalistische Demonstration: Samstag, 27. Oktober 2018

München

Infos: