Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen

„Ein Stück weit feige …“

Richter schmäht Angeklagten im 2. Lüneburger Schotter-Prozess am 31.05.2012

Olaf Meyer, Aktivist der Antifaschistischen Aktion und seit 25 Jahren im Widerstand gegen die menschenverachtende Atomindustrie, verließ den überfüllten Saal 8 des Lüneburger Amtsgerichts während der Urteilsverkündung. Die solidarischen Zuhörer, darunter die fraktionslose Landtagsabgeordnete Christel Wegner (DKP), die Bundestagsabgeordnete Johanna Voß (Die Linke) und die international bekannte Kletteraktivistin Cécile Lecomte, folgten ihm. Denn Richter Hobro-Klatte hatte Olaf Meyers Engagement gegen den Castor-Transport, seine Zivilcourage vor Gericht als „ein Stück weit feige“ bezeichnet. – Das Urteil: 16 Tagessätze zu 20 Euro für „öffentliche Aufforderung zu Straftaten, der Störung öffentlicher Betriebe“ durch seine Solidaritätserklärung mit der Aktion „Castor Schottern“ am 05.11.2010.

Es gab nur einen YouTube-Kurzmitschnitt seiner Rede vor 2000 Demonstranten auf dem Lüneburger Marktplatz: „Wir müssen alle gemeinsam mit den unterschiedlichsten Aktionen den Castor aufhalten. Atomausstieg ist Handarbeit. In diesem Sinne: Castor Schottern.“

Nach Fukushima und dem erzwungenen Umlenken der CDU-FDP-Regierung hatte die Staatsanwältin für ein möglichst geringes Strafmaß plädiert und Olaf Meyer eine ehrenhafte, ums Gemeinwohl bemühte Motivation zugebilligt. Dem Richter, der schon im März den schwerstbehinderten Tübinger PDL-Politiker Gotthilf Lorch wegen seiner Unterschrift zur Kampagne „Castor Schottern“ abgeurteilt hatte, behagte so eine Anerkennung offenbar nicht. Wohl auch wegen dessen entlarvender politischer Abschlusserklärung in der Verhandlung. Darin verwies er auf die zunehmende Kriminalisierung und Repression von Atomkraftgegnern und deren zivilen Ungehorsams, gegen die sein Aufruf als Solidaritätsbekundung und Appell, sich nicht entzweien zu lassen gemeint war.

Auf der Demonstration vom 05.11.2010 hatte er mehrfach die Notwendigkeit gewaltfreien, möglichst legalen Protestes betont, was die Lüneburger „Ermittlungsgruppe Castor“ genauso wenig dokumentieren wollte, wie das Datum ihres heruntergeladenen „Beweismaterials“. Olaf Meyer bewies den Mut, sich zu diesem Datum und seinen Worten zu bekennen, auch eine Verurteilung würde an seinem Widerstandsgeist nichts ändern. „Ein Stück weit feige“?

Der Angeklagte hat auch auf eine, am 09.01.2012 vom Lüneburger Oberverwaltungsgericht skandalös abgewimmelte Beleidigungsklage von Cécile Lecomte hingewiesen. Polizeipräsident Niehörster hatte sie in einem NDR-Interview als „absolut nervig und krank“ und „verrückt“ beschimpft. Ihre Klage auf Widerrufung der Beleidigungen wies das Gericht ab, da es „keine Schmähkritik“, nur „ungeschickt“ aus dem längeren Interview „herausgelöst“ sei.

Wenn mit der Forderung nach „mehr Respekt“ drakonische Bestrafungen für „Majestätsbeleidigungen“ von Polizisten, Justizbeamten sowieso, eingeführt werden, wobei schlicht Gehorsam und Unterwürfigkeit das Ziel sein dürften, schleicht sich in Deutschland wieder eine seit Kaiser´s Zeiten beliebte Praxis der Entwürdigung politischer Widerständler durch die Staatsorgane ein, die offenbar folgenlos bleibt. Während so etwas ungeahndet, nicht einmal als untrüglicher Beweis von Befangenheit gewertet bleibt, drohen dem Zivilbürger bei der kleinsten Unbotmäßigkeit unter Verletzung der Rechtsgleichheit härtere Strafen, als bei Beleidigungen unter Privatleuten.

Olaf Meyer wies vor Gericht auf diese Gefahren für unser demokratisches System hin: Wachsender Unmut und Widerspenstigkeit der Bevölkerung in Krisenzeiten werden im Kapitalismus stets mit zunehmender Repression und Beschneidung der Grundrechte durch Gesetzgebung, Rechtsprechung und Polizeikräfte beantwortet. Wehret den Anfängen! Solidarisiert Euch mit den Angeklagten auch der folgenden Schotter-Prozesse! – Merke: „Das Auge der Justiz sitzt im Gesicht der herrschenden Klasse!“

jhm

Quelle:

http://www.dkp-lg.de/castor/120531.htm

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