RADAR – Rassismus auf den Schirm!
Refugees welcome!
Abschiebungen verhindern! Abschiebeknäste abschaffen!
Tagtäglich werden Menschen aus Deutschland abgeschoben. Tausende sitzen in Abschiebelagern. Für die
Flüchtlinge bedeutet die Aussicht, in ihr Herkunftsland abgeschoben zu werden, eine ausweglose Situation.
Viele befürchten, dort erneut verfolgt zu werden oder unter unmenschlichen Bedingungen leben zu müssen.
Die Abschiebehaft hat vor allem die Funktion, die Abschiebung abgelehnter AsylbewerberInnen reibungsloser
zu ermöglichen. Darüber hinaus dient sie erklärtermaßen der Abschreckung anderer abgelehnter Asylbewerbe-
rInnen.
… Rassismus in Staat und Gesellschaft …
Abschiebeknäste sind ein offensichtliches Kennzeichen der äußerst repressiven und ausgrenzenden Flüchtlings-
und Migrationspolitik in Deutschland. Menschen, deren einziges “Vergehen” es war, sich unerlaubt auf “deut-
schem Boden” aufgehalten zu haben, werden eingesperrt, bis ihre Abschiebung vollzogen werden kann.
Abschiebeknäste sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs, mithin brutalste Ausformung eines Systems, das –
oftmals als “institutioneller Rassismus” bezeichnet – Menschen ohne EU-Pass, die nicht gerade von der deut-
schen Wirtschaft benötigte Computerspezialisten sind, einer Vielzahl diskriminierender und ausgrenzender Be-
handlungen aussetzt.
Ein Stützpfeiler deutscher und europäischer Politik gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen ist das System von
Zwangsunterbringung in Heimen, Lagern, Containern und Knästen. Nicht alle PolitikerInnen machen einen Hehl
aus der politischen Intention, die dahinter steht, nämlich die Menschen gesellschaftlich zu isolieren und andere
(potenzielle) MigrantInnen abzuschrecken.
Die genannten Maßnahmen – nur wenige von vielen – sind jedoch nur der gesetzlich verankerte Ausdruck eines
gesellschaftlichen Klimas, das eine solche “institutionelle Diskriminierung” überhaupt erst möglich macht. La-
tent bis offen rassistische Positionen, das Denken in “Volk” und “Nation”, das Einteilen in “Dazugehörige” und
“Nicht-Dazugehörige” und der unhinterfragte Grundsatz, dass die “eigenen” Privilegien gegenüber den “Nicht-
Dazugehörigen” natürlich legitimiert und zu sichern seien, sind weitgehend Konsens in der Bevölkerung. Ein
Kampf gegen institutionalisierte Formen dieses Denkens, wie sie sich in Abschiebungen, Abschiebeknästen oder
den anderen gesetzlich legitimierten Repressalien gegen Flüchtlinge und MigrantInnen wieder finden, muss also
immer auch den Kampf gegen diese gesellschaftlichen Verhältnisse beinhalten.
PolitikerInnen auch der so genannten „Mitte“, die sich mit rassistischer Hetze gegen MigrantInnen hervortun,
sind von Menschen an ihre Positionen gewählt worden. PolizistInnen, die bevorzugt Menschen dunkler Hautfar-
be kontrollieren, sind Teil einer Gesellschaft, in der viele Rassismus für überwunden oder für eine individuelle
Eigenschaft einer kleinen Minderheit halten und ihn gleichzeitig jeden Tag reproduzieren.
Kampf gegen Rassismus und institutionelle Diskriminierung von Flüchtlingen und MigrantInnen ist also Ein-
spruch auf vielen Ebenen, bedeutet ebenso, eigene Denkmuster zu hinterfragen wie die Auswirkungen rassisti-
scher Denkweisen jeder Art als solche zu benennen und anzugreifen.
… und kapitalistische Verwertungslogik …
In bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaften kommt dem Staat die Aufgabe zu, die Interessen des Kapitals, die
sich oftmals auch gegenüberstehen, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Sein Zweck ist, die Bedingungen
zur Anhäufung und Verwertung von Kapital zu optimieren. Dazu gehört zum Beispiel der Schutz des Privatei-
gentums, das Bereitstellen von Bildung, um qualifizierte Arbeitskräfte hervorzubringen oder an den Grenzen
Menschen nach ihrer Nützlichkeit auszusieben.
Im kapitalistischen Verwertungsprozess sind immer wieder Menschengruppen einer verschärften Ausbeutung
ausgesetzt. Die Verwertungszwänge bedingen auch die Jagd nach Extraprofiten. Dabei spielen rassistische Ra-
ster eine nicht unerhebliche Rolle. Der Arbeitsmarkt wird entsprechend rassistischer Einstellungen hierarchisiert,
d.h. bei Menschen werden für die gleiche Arbeit unterschiedliche Standards bezüglich Löhnen und Arbeitsbe-
dingungen angewandt. Entscheidend sind dabei Verwertbarkeit im Reproduktionsprozess und die Bedürfnisse
des jeweiligen Standortes.
Die europäischen Staaten, die sich als Wirtschaftsstandorte durchaus auch in Konkurrenz gegenüberstehen, or-
ganisieren in Form der Europäischen Union die Umsetzung ihrer gemeinsamen Interessen. Dazu gehört auch die
Sicherung der gemeinsamen Außengrenzen.
In den Bedrohungsszenarios der europäischen Regierungen werden die so genannten „Illegalen“ mit Menschen,
die dem „internationalen Terrorismus“ und der „organisierten Kriminalität“ zugerechnet werden, auf eine Stufe
gestellt. Damit wird die zunehmende militärische Bekämpfung von Flüchtlingen an den Grenzen ideologisch
legitimiert. Zwecks Militarisierung der Grenzen wurde auch die EU-Agentur “Frontex” mit Sitz in Warschau
geschaffen. In ihren Aufgabenbereich fallen Koordinierung der Sicherung der Außengrenzen, Ausbildung von
Grenzschützern und von EU-Staaten gemeinsam betriebene Abschiebungen.
Neben direkten Abwehrmaßnahmen an den Grenzen sind rechtliche Regelungen wie die so genannte “Drittstaa-
tenregelung” zu betrachten. Diese dient dazu, Menschen in angeblich sichere Staaten, über die sie eingereist
sind, abzuschieben, falls sie die Außengrenzen überwunden haben und Asyl beantragen. Die Folge sind Ketten-
abschiebungen und somit die faktische Abschaffung der Möglichkeit, Asyl zu erhalten. Zusätzlich werden Stra-
tegien der “exterritorialisierten (ausgelagerten) Migrationsbekämpfung” entwickelt: Dazu gehört beispielsweise
die Errichtung von Auffanglagern für Flüchtlinge bereits in den Fluchtländern.
Staatliche Aufrüstung der Außengrenzen zielt dennoch nicht auf die absolute Verhinderung von Migration, son-
dern vielmehr auf deren Kontrolle und Regulierung.
Im Gegensatz zu Menschen, deren Migration in Flucht vor bspw. Krieg oder politisch motivierter Verfolgung
gründet, ist es für den hochqualifizierten IT-Spezialisten oder einen Millionär unabhängig von seiner Herkunft
wesentlich leichter, die Grenzen der BRD oder der EU zu passieren und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu
haben.
Um den Transfer von gewünschten Menschen, sprich qualifizierten Arbeitskräften oder sonst dringend ge-
brauchten verwertbaren Arbeitskräfte zu gewährleisten, werden Regelungen wie bspw. die Greencard oder
rechtlich angeglichene Räume, die sich wiederum nach außen abgrenzen wie die EU geschaffen und auf Organi-
sationen wie die IOM (International Organisation for Migration) zurückgegriffen.
Nicht erwünschte Menschen, die es trotz aller Hindernisse schaffen, die militarisierten Grenzen zu überwinden,
erhalten keinen rechtlichen Status und sind stets der Gefahr der Abschiebung ausgesetzt. Gegen sie werden ei-
nerseits Abschiebeknäste als Mittel zur Abschreckung mit der Androhung des Freiheitsentzugs eingesetzt. Ande-
rerseits sind die Knäste das direkte Instrument, diese unerwünschten Menschen – und das sind für die Herrschen-
den die Mehrheit der Flüchtlinge – aus dem öffentlichen Leben zu entfernen und bis zu ihrer Abschiebung zu
verwahren.
Menschen, die über keinen oder einen prekären Aufenthaltsstatus verfügen, haben auch keine Möglichkeit, ihre
Existenz durch ein geregeltes Arbeitsverhältnis zu sichern und keinerlei Zugang zu arbeitsrechtlichem Schutz.
So entsteht ein entrechtetes migrantisches Subproletariat, das gezwungen ist, seine Arbeitskraft unter miesesten
Bedingungen weit unter gängigen Marktpreisen zu verkaufen. Dies ist auch zynisch einkalkuliert und beabsich-
tigt.
… abschaffen!
Es gilt, Widerstand zu organisieren gegen Nationalismus, Rassismus und Faschismus, gegen Ämterschikanen,
rassistische Übergriffe und Abschiebungen.
Aber auch gegen Verhältnisse, in denen Menschen nur nach ihrer Verwertbarkeit bemessen werden und ge-
zwungen sind, sich durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft ausbeuten zu lassen.
Gegen Verhältnisse, die angesichts eines gigantischen gesellschaftlichen Reichtums und hoch entwickelter Pro-
duktionsmitteln nicht nur brutal, sondern auch schlichtweg unnötig sind.
Dafür, dass jeder Mensch ohne Angst da leben kann, wo er möchte.
RADAR 2008 – Lüneburg
Aktionstage und Festival gegen den rassistischen Normalzustand
12. – 15. Juni 2008
Uni Campus – Lüneburg
Infos: www.radar-festival.de.vu
Mai 2008
Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen