Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen

Von Neonazis umgebracht: Gedenken in Eschede

Sie sollten „den Scheiß mit dem Skinhead-Gehabe“ lassen: Weil Peter Deutschmann es wagte, zwei Neonazis seine Meinung zu sagen, musste er sterben. Zwei Jugendliche prügelten am 10. August 1999 den damals 44-Jährigen in Eschede im Landkreis Celle zu Tode. Seitdem findet in jedem Jahr eine Gedenkfeier statt. Die Initiatoren fordern einen Gedenkstein an Peter Deutschmanns Lieblingsplatz. Doch die Kommunalpolitiker sind dagegen.

Provisorischer Stein aus Pappmaché

Das „Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus“ hat auch an diesem 10. August zur Gedenkfeier geladen. Auf der Grünfläche neben der Ampelkreuzung. Ein Platz, der in Eschede nicht zu verfehlen ist. Ein Platz, an dem Peter Deutschmann viel Zeit verbracht hat. Der Obdachlose saß oft auf der grünen Bank an diesem Platz. Die Aktiven des Netzwerks haben einen Gedenkstein aus Pappmaché gebaut, so wie sie ihn sich vorstellen: Der Name, die Geburts- und Sterbedaten und der Zusatz „Von Escheder Neonazis erschlagen“ sollen darauf zu lesen sein.

Sie hängen Plakate auf und legen davor ein Gesteck mit weißen Rosen nieder. „Gegen das Vergessen – In memoriam Peter Deutschmann“ steht auf der Schleife. Dann schalten sie einen tragbaren CD-Player ein. Musik von Mike Oldfield, City und Phil Collins ertönt – und natürlich auch ein Song von Bob Marley. Den hat Peter Deutschmann besonders gemocht, so sehr, dass er auch solche Rastalocken und die typische bunte Marley-Mütze trug. Deutschmann wurde deshalb auch „Hippie“ genannt.

Die CDs mitgebracht hat Wilfried Lilie. Er und Peter Deutschmann kannten sich seit den 70er-Jahren. Inzwischen hat Wilfried Lilie eine Halbglatze und einen grauen Bart. Er nimmt seine Schirmmütze vom Kopf, klopft freundschaftlich auf den provisorischen Gedenkstein für seinen getöteten Kumpel und wippt im Takt. „Musik war unsere Verbindung“, sagt er und man hört den Knoten in seinem Hals, den die Erinnerungen verursachen. Damals legten beide in einer Celler Diskothek als DJs auf. Auch der jetzige Celler Landrat, Klaus Wiswe, war damals mit von der Partie. „Peter war ein freundlicher, lustiger Mensch, mit dem man gut auskommen konnte und der niemals Streit gesucht hat“, sagt Wilfried Lilie leise.

„Es war eine rechtsmotivierte Tat“

In seiner Ansprache geht Wilfried Manneke, engagierter Celler Pfarrer gegen rechts, auch auf die Täter ein, über die mindestens ebenso viel berichtet wurde und wird wie über das Opfer: Der eine, Johannes Kneifel, studiert Theologie und wird ein Buch herausbringen mit dem Titel „Vom Saulus zum Paulus. Neonazi, Mörder, Pastor – meine drei Leben.“ Der andere, Marco S., hingegen sei immer noch in der Neonazi-Szene aktiv und soll sich laut Manneke sogar mit der Tat gebrüstet haben.

Der Gedenkstein soll daher nicht nur Erinnerung sein, sondern auch auf die Gefahr hinweisen, die immer wieder von Rechten ausgeht. Seit 1990 seien mehr als 180 Menschen von Neonazis umgebracht worden, sagt Manneke. Er will „Betroffenheit über Generationen“ hinweg erzeugen. Der Stein soll daran erinnern, warum Peter Deutschmann totgeprügelt wurde, betont auch Kirsten Diekmann vom Celler Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus: „Es war eine rechtsmotivierte Tat und das soll auch genannt werden. Der Stein soll auffordern, sich dem Problem zu stellen, eben nicht wegzuschauen.“

Gemeinde Eschede lehnt Gedenkstein ab

Die Gemeinde Eschede aber lehnt einen Stein ab. Einstimmig hatte der Gemeinderat sich dagegen ausgesprochen, weil er verschmutzt und verunstaltet werden könnte oder sich Neonazis dort treffen könnten, erklärt Bürgermeister Günter Berg (parteilos). Noch ein Problem gibt es aus Sicht der Gemeinde: „Man kannte den Mann zu wenig, er war zu wenig integriert“. Berg will die Tat nicht totschweigen, er sei aber an die Entscheidung des Rates gebunden. Deshalb regt er an, den Stein auf dem Grundstück der Kirche aufzustellen. Ein Kompromiss, mit dem Pfarrer Wilfried Manneke leben könnte. Andere Mitglieder des Netzwerks halten dagegen an der Kreuzung als Standort fest: Hier habe er gesessen, sein Bierchen getrunken, auf die Straße geschaut und den Leuten zugewunken. Es war der Mittelpunkt seines Lebens, ein Dorforiginal, das lange Zeit zum Ortsbild dazu gehörte. „Der Stein gehört hierher.“

Ganz anderer Umgang in Buxtehude

Dass andernorts ganz anders mit dem Gedenken an die Opfer von Neonazis umgegangen wird, betont Olaf Meyer von der Antifaschistischen Aktion Lüneburg/Uelzen. Im März 1992 wurde in Buxtehude im Landkreis Stadt der ehemalige Kapitän Gustav Schneeclaus ebenfalls von Neonazis zu Tode geprügelt. Sie hatten ihn angegriffen, nachdem er sich abfällig über Hitler geäußert hatte. Vier Tage nach der Tat starb er an seinen schweren Verletzungen. Es gibt Parallelen zwischen den Morden an Peter Deutschmann und Gustav Schneeclaus, sagt Meyer, wohl aber Unterschiede in der Erinnerung und dem Gedenken.

In Buxtehude wurde zwei Jahre nach der Tat von der Stadt eine Gedenkplatte am Busbahnhof, dem Tatort, installiert. Jedes Jahr finden dort Veranstaltungen statt. „Die Erinnerung an jene, die von Neonazis ermordet wurden, verschwimmt mit der Zeit und macht somit auch die Tat an sich scheinbar ungeschehen. Darum ist es unsere Aufgabe, diesen Menschen Namen und Gesichter zu geben, damit sie und der Mord an ihnen nicht in Vergessenheit geraten“, mahnt Meyer – und das gelte auch für Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, Außenseiter oder „Unikate“ seien: Menschen wie Peter Deutschmann und Gustav Schneeclaus. „Beide starben, weil sie rechtes Gedankengut ablehnten und die Wahrheit sagten“.

Der Tod von Peter Deutschmann am 10. August 1999

Am 10. August 1999 wird der im niedersächsischen Eschede der damals 44-jährige Peter Deutschmann von zwei Nazi-Skinheads getötet. Die Täter sind 17 und 18 Jahre alt. Peter Deutschmann kannte die beiden und hatte schon mehrfach mit ihnen über ihre politischen Ansichten gestritten.

Kurz vor der Tat fordert er die Jugendlichen auf, „den Scheiß mit dem Skinhead-Gehabe“ zu lassen. Aus Wut über diese Kritik verschaffen sich die beiden Täter Zutritt zu Peter Deutschmanns Wohnung, treten und schlagen auf ihn ein, misshandeln ihn mit Glasscherben. Sie zertrümmern seinen Kehlkopf, fügen ihm Schlag- und Schnittverletzungen zu.

Um zu verhindern, dass Peter Deutschmann Hilfe holt, zerschlagen sie das Telefon. Dann lassen sie ihr Opfer schwer verletzt zurück. Als die Nachbarn schließlich seine Hilferufe hören, ist es zu spät. Peter Deutschmann stirbt im Krankenhaus. Das Landgericht Lüneburg verurteilt beide Täter wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge zu einer fünfjährigen Gefängnisstrafe.

von Angela Hübsch, NDR Niedersachsen
10. August 2012 – www.ndr.de

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