Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen

Einspruch!

Lüneburger Stadtrat will Neonazis zu Schöff*innen machen

(Aktualisiert:  8. Juni 2018, 19:00 Uhr)

 

Auf der letzten Sitzung des Lüneburger Stadtrats am 30. Mai 2018, hat dieser eine Vorschlagsliste für neue Schöff*innen durchgewunken. Obwohl von der Fraktion der Linken vorher darauf hingewiesen wurde, dass auf dieser Liste mindestens zwei bekannte Rechte zu finden sind.


Hintergründe  –  Pressemitteilungen  –  Zeitungsartikel

Kampagne „Einspruch: Nie wieder Nazis auf Richterbänken!


Zum einen geht es um den Neonazi Holger Schwarz, der sich seit Jahren in regionalen Nazistrukturen bewegt. Er war Mitglied in der NPD und in der Kleinstpartei „Die Rechte“. In Lüneburg ist er spätestens seit Juni 1998 öffentlich bekannt. Am 13. Juni 1998 fand in Lüneburg ein Naziaufmarsch unter dem Motto „Arbeitsplätze statt Sozialalmosen“ statt, an dem sich rund 70 Personen beteiligten. Darunter bekannte Funktionäre norddeutscher Nazistrukturen, wie Christian Worch, Thomas Wulff und Manfred Börm. Die vom neonazistischen „Aktionsbüro Norddeutschland“ organisierte Veranstaltung wurde von Holger Schwarz unter Vorspieglung falscher Tatsachen als Arbeitsloseninitiative angemeldet.

Im April 2010 wurde er als Beisitzer in den Unterbezirksvorstand der lüneburger NPD gewählt. Am 22. Mai 2011 nahm er als Delegierter am Landesparteitag der niedersächsischen NPD in Northeim teil.

Neben seiner Tätigkeit in der NPD war er auch in der „Unabhängigen Wählerliste Landkreis Lüneburg (UWL) – Bündnis Rechte“ aktiv. Für diese Tarnorganisation der regionalen NPD kandidierte Schwarz 2001 und 2006 zur Kommunalwahl. Außerdem war er stellvertretender Vorsitzender der UWL.

Im Jahr 2013 beteiligte er sich dann an der Gründung des niedersächsischen Landesverbands der Partei „Die Rechte“ und war Anfangs Beisitzer im Landesvorstand.

Holger Schwarz in Northeim (zweiter von links)

Holger Schwarz in Munster (ganz rechts)

Zum anderen geht es um Teja Lechel. Dieser war in den 1990er in der DVU aktiv und nahm in den Jahren 2005 und 2006 an Treffen des „Sozialpatriotischen Bündnis Lüneburg“ von Hans-Gerd Wiechmann teil. Außerdem besuchte er Aufmärsche der NPD, u.a. am 8. Oktober 2005 in Langwedel und 14. Juli 2012 in Lüneburg. Heute trifft mensch ihn bei Veranstaltungen der Lüneburger AfD an.

Teja Lechel am 08.10.2005 in Langwedel

Teja Lechel am 14.07.2012

Teja Lechel am 16.09. 2017 am Infostand der AfD in Lüneburg

Neben diesen beiden Personen, findet sich auf der Jugendschöffenliste noch eine weitere Person, die extrem rechten Strukturen zuzurechnen ist. Diese bewegt sich im Bereich völkischer Jugendbünde und gehört einem Kreis von Personen an, die unter Namen „Heidewölfe“ Treffen und Lager mit Kindern und Jugendlichen durchführen. Ein Treffpunkt ist das „Landheim Marxen“, dass dem völkischen Bund „Fahrende Gesellen“ zuzuordnen ist. Bein den „Heidewölfen“ kommen Personen aus völkischen Sippen aus Nordostniedersachsen und Mitglieder aus dem Umfeld völkischer Gruppen, wie den „Fahrenden Gesellen“ und dem „Sturmvogel“ zusammen.

Schöff*innen sind in Deutschland Teil der gesetzlich geregelten Rechtsprechung, der dritten Gewalt im Staat und sind ehrenamtliche Richter*innen im Strafverfahren. Bei der hiesigen Rechtsprechung soll eine Beteiligung der Bevölkerung gewährleistet werden und dies wird bis heute als eine „wichtige Errungenschaft des modernen rechtsstaatlichen Strafprozesses“ erklärt.

Schöff*innen sollen Strafprozesse mit gestalten und Korrektiv für die Jurist*innen sein. Sie sollen „ihre Lebens- und Berufserfahrung in die Entscheidungen einbringen“ und können so „zu einer lebensnahen Wahrheits- und Rechtsfindung beitragen“. Dadurch wird sich eine „demokratische Kontrolle der Justiz“ erhofft.

Von Richter*innen wie Schöff*innen wird erwartet, dass sie „neutral und unvoreingenommen“ sind. Sie müssen „objektiv und unparteilich“ sein. Der feste Wille dazu ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Ausübung dieses Amtes. Mit der Pflicht zur Unparteilichkeit wäre es nicht vereinbar, sich bei Ausübung des Amtes als Vertreter*in einer politischen Richtung, einer Konfession oder gesellschaftlichen Gruppe zu verstehen.

Für Jugendschöff*innen gilt darüber hinaus, „dass sie erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein sollen“. Für die Person, der bei den „Heidewölfen“ aktiv ist, kann das wohl nur bedeuten, dass seine Tätigkeiten im völkischen Milieu ihn dafür qualifizieren.

Wer zum Richten über Menschen berufen ist, sollte eigentlich ein großes Verantwortungsbewusstsein für den Eingriff in das Leben anderer Menschen haben und sollte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn haben. Dies kann mensch Neonazis und anderen Rechten sicherlich nicht nachsagen.

Seit Jahren kann mensch Unterwanderungungsversuche von Neonazis und anderen Rechten beobachten. In vielen gesellschaftlichen Bereichen versuchen sie Einfluss zu nehmen und Ämter zu übernehmen. Auch in der Justiz. Neonazis und andere extrem Rechte könnten als Schöff*innen Einfluss auf Urteile nehmen und für ideologisch motivierte Strafverschärfungen sorgen.

Die Lüneburger AfD rief schon im Januar 2018 dazu auf, sich als Schöff*innen zu melden, um Urteile „in unsere Richtung“ zu beeinflussen. Damit belegt der Lüneburger Stadtverband AfD zum einen die Zielrichtung der rechten Unterwanderungsversuche und zum anderen ihr taktisches Verhältnis zu Recht und Demokratie.

Was Holger Schwarz für ein Rechtsverständnis hat und welche Strafen er bevorzugt, zeigt er auf Facebook, wo er im April 2018 ein Bild mit der Anleitung für einen Henkersknoten veröffentlichte.

Neonazistische und völkische Gruppierungen, wie z.B. die Parteien NPD und Die Rechte, sind offenkundig demokratiefeindlich und ihre Positionen sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. sind. Allein dieses Wissen hätte ausreichen müssen, um die rechten Bewerber abzulehnen.

Mit der Entscheidung Teja Lechel und Holger Schwarz nicht von der Vorschlagsliste zu streichen, ignoriert der Lüneburger Stadtrat sogar eine Entscheidung des Bundesverfassungsgericht aus dem Jahr 2008. Damals entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine Amtsenthebung eines Stuttgarter Arbeitsrichters, auf Grund des neonazistischen Hintergrunds, rechtens war. Das Bundesverfassungsgericht stellte ausdrücklich fest, das auch ehrenamtliche Richter*innen und Schöff*innen „treu zur Verfassung“ stehen müssen. Sie müssen sich in ihrem „gesamten Verhalten“ zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ bekennen. „Die politische Treuepflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, distanzierte Haltung gegenüber dem Staat und seiner Verfassung“. Das Gericht betonte, dass der Staat „streng darauf zu achten“ habe, dass keine Verfassungsfeinde zu ehrenamtlichen Richter*innen ernannt werden. Dies sollte auch als Richtschnur für den Lüneburger Stadtrat gelten, der ja sonst bei jeder Gelegenheit auf diese „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ beruft.

Mit rechten Schöff*innen an Lüneburger Gerichten sind keine „fairen und ausgewogenen Urteile“ zu erwarten. Wenn Neonazis und anderen extrem Rechten jetzt eine Bühne für ihre „nationale Rechtspflege“ geboten werden sollte, dann werden viele Prozesse wegen Befangenheit platzen.

Die Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen begrüßt die Initiative der Fraktion der Linken im Lüneburger Stadtrat, die auf die rechten Schöffen aufmerksam machte und für die Streichung von der Vorschlagsliste eintrat. Es ist äußerst bedauerlich, dass nur die vier Linken und ein Grüner für die Streichung der beiden Rechten stimmten.


 

 


Kampagne:

Einspruch: Nie wieder Nazis auf Richterbänken! Für ein Recht der Menschenwürde!

Das Lüneburger Netzwerk gegen Rechts ruft zu einer Einspruchskampagne gegen die mögliche Zulassung von zwei extrem rechten Personen als Schöffen auf.

Nachdem Verwaltung und Stadtrat diese beiden Personen nicht von der Vorschlagliste für Schöffen genommen haben, müssen jetzt die Bürgerinnen und Bürger dieses Versäumnis korrigieren. Das Netzwerk gegen Rechts will mit vielen Einsprüchen gegen die rechten Schöffen ein Signal setzen, dass die Entscheidung des Stadtrats nicht hingenommen wird und des es keine Verharmlosung extrem rechter Aktivitäten und Strukturen geben darf.

Die Einsprüche, für die auch ein Musteranschreiben erstellt wurde, sollen an das Amtsgericht Lüneburg gerichtet werden.

Bis zum 18. Juni können diese Einsprüche beim Amtsgericht Lüneburg eingereicht werden. Ziel der Kampagne ist die Ernennung von Teja Lechel und Holger Schwarz zu Schöffen zu verhindern.

 

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