Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen

Nichts dazu gelernt!

Lüneburger Stadtverwaltung schlägt bekannten Neonazi als Schiedsperson vor.

Gemeinsame Initiative von DIE LINKE. Gruppe im Rat der Hansestadt Lüneburg und der Antifaschistischen Aktion Lüneburg / Uelzen:

Gemeinsame Pressemitteilung von DIE LINKE. Gruppe im Rat der Hansestadt Lüneburg und der Antifaschistischen Aktion Lüneburg / Uelzen

Die Verwaltung der Hansestadt Lüneburg hat dem Rat in seiner Sitzung am 01.10.2020 einen Wahlvorschlag für Schiedspersonen vorgelegt, der mit Holger Schwarz einen bekannten Neonazi enthält. Schiedspersonen schlichten Streitigkeiten außergerichtlich. Sie werden vom Rat der Gemeinde auf fünf Jahre gewählt und durch das Amtsgericht bestätigt.


Holger Schwarz ist einschlägig als aktives Mitglied der rechten Szene bekannt. Er bewegt sich seit den 1990er-Jahren in der regionalen Szene und war Mitglied in der NPD. Bereits am 13. Juni 1998 fand in Lüneburg ein von Holger Schwarz angemeldeter Naziaufmarsch statt. Neben seiner Tätigkeit in der NPD war er auch in der „Unabhängigen Wählerliste Landkreis Lüneburg – Bündnis Rechte“ aktiv. Für diese Tarnorganisation der regionalen NPD war Schwarz stellvertretender Vorsitzender und kandidierte 2001 und 2006 zur Kommunalwahl. Im April 2010 wurde er als Beisitzer in den Unterbezirksvorstand der Lüneburger NPD gewählt und nahm 2011 als Delegierter am Landesparteitag der niedersächsischen NPD teil. Im Jahr 2013 beteiligte er sich an der Gründung des niedersächsischen Landesverbands der Partei „Die Rechte“ und war Beisitzer im Landesvorstand. „Auf seiner Facebookseite präsentiert sich Schwarz offen als Neonazi, der dort auch den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß verehrt“, berichtet Olaf Meyer von der Antifaschistischen Aktion Lüneburg / Uelzen, der seit Jahren die regionalen rechten Strukturen beobachtet.


„Die Verwaltung hat seit den Schöffen-Wahlen 2018 offenbar nichts dazugelernt und legt dem Rat erneut einen Wahlvorschlag vor, ohne offensichtlich die Verfassungstreue der Kandidierenden geprüft zu haben.“, so der Linke Gruppenvorsitzende im Rat, Michèl Pauly. Bereits 2018 hatten mehrere einschlägig bekannte Personen der extrem Rechten als Schöffen kandidiert. Auch damals hatte die Verwaltung die Namen – trotz einschlägiger Hinweise auf die rechte Gesinnung mehrerer Kandidat*innen und ohne Prüfung der Verfassungstreue – durchgewunken. In seiner Sitzung vom 31.05.2018 hatte der Rat daraufhin mehrheitlich zwei bekannte Lüneburger Rechte als Schöffen empfohlen – darunter auch Holger Schwarz. Nur weil das Netzwerk gegen Rechts in seinem Aufruf „Nie wieder Nazis auf Richterbänken!“ zu Einsprüchen beim Amtsgericht Lüneburg aufgefordert hatte und zahlreiche Bürger*innen folgten, konnte ein Einsatz der Rechten als Schöffen erfolgreich verhindert werden.

Mehr Infos:

https://www.dielinke-lueneburg.de/nc/presse/detail/news/rechtsradikale-schoeffen-kandidaten-in-lueneburg-vom-rat-gewaehlt/

https://www.dielinke-lueneburg.de/nc/presse/detail/news/einspruch-nie-wieder-nazis-auf-richterbaenken-fuer-ein-recht-der-menschenwuerde/

https://antifa-lg-ue.org/2018/06/03/einspruch/

Hinter diesen Kandidaturen steht die Strategie einer Unterwanderung des Gerichtswesens durch die extreme Rechte, um Einfluss auf staatliche Strukturen zu nehmen und Verfahren gemäß ihrer ‚völkischen Gesinnung‘ zu beeinflussen. NPD bzw. AfD haben ihre Mitglieder bereits mehrfach in Kampagnen zu Kandidaturen aufgerufen. „Wir dulden keine Nazis in den Schiedsämtern oder Schöffengerichten. Menschen mit einem solchen menschenverachtenden Weltbild haben in einem Wahlvorschlag für diese Ämter nichts zu suchen. Von der Verwaltung erwarten wir künftig eine erhöhte Sensibilität. Es ist unsere Verantwortung, gegen solche Tendenzen vorzugehen.“, so die stellvertretende Gruppenvorsitzende Annika Weinert-Brieger.


Für bestimmte Streitigkeiten ist eine Klage vor dem Amtsgericht erst zulässig, wenn zuvor versucht wurde, den Streit in einem Schiedsverfahren beizulegen. Das gilt auch für Ansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz oder wegen Verletzung der persönlichen Ehre. Dazu Weinert-Brieger weiter: „Rechtsextreme bedrohen Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihres Geschlecht und sexuellen Orientierung. Gerade in so sensiblen Rechtsbereichen wie Gleichbehandlungsfragen oder persönlichen Ehrverletzungen sind Rechtsextreme damit als Schiedspersonen vollkommen untragbar.“ Die Schiedspersonen arbeiten auch in Privatklagedelikten mit. „Wenn die Verwaltung ihre Prüfpraxis nicht anpasst, können bei Delikten wie der Bedrohung, Beleidigung oder Körperverletzung durch Täter, die selbst zum extrem rechten Milieu gehören, womöglich bald Schiedspersonen mitentscheiden, die der extremen Rechten zuzuordnen sind. Das gilt es unbedingt zu verhindern.“, so Michèl Pauly.


Die Gruppe DIE LINKE. Gruppe im Rat der Hansestadt Lüneburg und die Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen fordern deshalb: „Nazis raus aus allen Wahlvorschlägen!“. Die Gruppe DIE LINKE hat einen entsprechenden Prüfantrag eingereicht. Darin fordert sie die Verwaltung auf, zu prüfen, wie ein Prüfprozess für die Wahlvorschläge für die Ämter der Schiedspersonen und der Schöffen ausgestaltet werden kann, der es künftig ermöglicht, Personen mit menschenverachtenden, anti-demokratischen Hintergründen nach klaren Kriterien zu identifizieren und den Ratsmitgliedern das Prüfergebnis vor den entsprechenden Wahlen mitzuteilen.

Lüneburg, 8. Oktober 2020