Tretet in antifaschistische Aktion!
Erinnerung an die Möbelwagenschlacht am 14. September 1930 in Uelzen
Am 14. September 1930 fand die fünfte Reichtstagswahl im damaligen Deutschland statt. Diese Wahl war auch durch Auseinandersetzungen zwischen Nazis und Antifaschist_innen geprägt. So kam es dann auch im kleinen Uelzen zu einer heftigen Auseinandersetzung – die sog. „Möbelwagenschlacht“.
Im März 1930 scheiterte die Große Koalition unter dem SPD-Reichskanzler Hermann Müller. Reichspräsident Hindenburg ernannte daraufhin den Zentrumspolitiker Heinrich Brüning zum neuen Kanzler, der eine Minderheitsregierung ohne die SPD bildete. Diese Regierung scheiterte recht schnell und der Reichstag löste sich auf. Für den 14. September 1930 wurden Neuwahlen angesetzt.
Die NSDAP präsentierte sich im Wahlkampf als aktionistische Partei und ihr Auftreten war für die damalige Zeit modern. Sie trat flächendeckend auf und veranstaltete reichsweit viele Kundgebungen. Hitler trat zwischen dem 3. August und dem 13. September 1930 in mehr als zwanzig Großkundgebungen auf. Gewalt durch Nazis gegen politische Gegner – vor allem gegen Angehörige der SPD und KPD – gehörte damals zur Alltäglichkeit. Nährboden für die NSDAP waren die Unzufriedenheit mit der Weimarer Demokratie, dass die Bedürfnisse der Menschen nicht befriedigt wurden, die Armut und das es keine soziale Gerechtigkeit gab. Die NSDAP erreichte bei der Wahl dann auch 18,2 % der Stimmen. Die NSDAP als Überraschungssiegerin zog mit 107 Abgeordneten in den Reichtstag ein (vorher waren es nur 12). Nach dieser Wahl unterstützten deutsche Großindustrielle, Großgrundbesitzer und Militärs verstärkt die NSDAP. Mit dem Ziel, die Ausschaltung der Arbeiter_innenbewegung, Abschaffung der Weimarer Demokratie, Aufrüstung und Eroberungskrieg.
In Uelzen waren in der Zeit rund 40 Menschen in der KPD, dem RFB, dem Roten Frauen- und Mädchenbund (RFMB) und dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) organisiert. Diese traten durch unterschiedliche Aktionen in Erscheinung und beteiligten sich an den Wahlen.
Prägend für die damalige Zeit waren die – zum Teil militanten – Auseinandersetzungen zwischen KPD/RFB auf der einen Seite und der NSDAP/SA und Stahlhelm auf der anderen Seite. Der Staat reagierte darauf mit einem Verbot des Roten Frontkämpferbundes (RFB) am 3. Mai 1929. Nach dem Verbot des RFB´s kam es am 6. Mai 1929 auch zu Hausdurchsuchungen bei Kommunisten in Uelzen.
Die Reichstagswahl nutzte die NSDAP auch in Uelzen zu verschiedenen Wahlkampfaktionen. So zog sie am Nachmittag des Wahltages mit einem von Pferden gezogenen Möbelwagen durch die Stadt. Der mit Plakaten und Bannern beklebte Wagen wurde von ca. 30 SA-Leuten begleitet. Zunächst verlief der Umzug störungsfrei. Als die zum Teil mit Zaunlatten und Steinen bewaffneten Nazis dann aber in der Nähe des Volksheims am Hammersteinplatz auftauchten, wurden sie aus einer Menge von dort versammelten Arbeiter_innen angegriffen. Im Zuge der Auseinandersetzungen – in die sich viele Arbeiter_innen einmischten – müssen die Nazis das Weite suchen. In der Friedrich-Ebert-Straße konnte der Wagen gestoppt werden und die Nazis wurden weiterhin angegriffen. Dort trat dann auch die Polizei in Erscheinung und drängte die Arbeiter_innen zurück und versuchte die SA-Truppe zu schützen Die Nazis flohen dann über Ratswiesenbrücke in Richtung Hoefftstraße. Am dortigen Gasthof Thies (dem späteren Gasthaus „Zur Sonne“) wurden die Pferde ausgespannt. Aber auch dort protestierten die aufgebrachten Arbeiter_innen gegen die Naziprovokation. Die Polizei griff hier auch zum Schutz der Nazis ein. Bei der Möbelwagenschlacht wurden rund 16 Personen – in erster Linie Nazis – zum Teil erheblich verletzt.
Einige Tage später – am 16. September 1930 – rief die KPD zu einer Kundgebung auf, um gegen die Naziprovokation und den Polizeieinsatz zu protestieren. Rund 150 Leute nahmen an dieser Veranstaltung teil, zu denen der Kommunist Paul Willborn sprach. Die Kundgebung endete mit der Aussage: „Sollten die Nazis es noch einmal wagen, wieder in Uelzen aufzutreten, dann werden sie wieder verjagt!“
Die erfolgreiche antifaschistische Aktion vom 14. September 1930 hatte ein juristisches Nachspiel: Am 23. März 1931 begann ein Prozess in der Stadthalle (dem späteren Gebäude der Stadtsparkasse in der Bahnhofstraße). 25 Arbeiter waren wegen angeblichen Landfriedensbruch angeklagt. Darunter die Kommunisten Julius Walter, Karl Sellmann, Emil Hoppe und Paul Willborn. Obwohl sich die Nazis mit Zaunlatten und Steinen bewaffnet und provoziert hatten und die Polizei zunächst nicht eingriff, wurden später nur Arbeiter angeklagt.
Die Stadthalle war während der Prozesstage von Polizei und Landjäger abgeriegelt. Zu den Verhandlungen waren nur jeweils 60 Zuschauer_innen zugelassen. Die Angeklagten grüßten diese dann am ersten Verhandlungstag mit einem dreifachen „Rot Front!“.
Die KPD und Rote Hilfe riefen für den 21. März 1931 zu einer Solidaritätskundgebung auf. Im Aufruf appellierten sie an SPD und Reichsbanner zu gemeinsamer Aktion. Diese riefen dann für den 26. März 1931 zu einer weiteren Kundgebung auf. Diese wurde allerdings auf Erlass durch Bürgermeister Farina verboten, der vom 26. bis 29. März 1931 sämtliche Versammlungen untersagte, da er erneue Auseinandersetzungen befürchtete.
Der Prozess dauerte insgesamt 4 Tage und endete am 27. März 1931. 15 Angeklagte wurden zu Haftstrafen zwischen 3 und 12 Monaten verurteilt. Julius Walter sieben Monate wg. Rädelsführerschaft und Beamtenbeleidigung, Karl Sellmann fünf Monate wg. Landfriedensbruch, Emil Hoppe und Paul Willborn wurden freigesprochen. Die KPD rief anschließend noch zu einer Kundgebung am 30. März 1931 auf, um gegen das „Schandurteil“ zu protestieren.
Die Ereignisse vom 14. September 1930 in Uelzen und der anschließende Prozess gegen die Arbeiter haben auch heute noch Bedeutung. Zum einen zeigt die Möbelwagenschlacht, dass Nazis aufgehalten werden können, wenn mensch ihnen entschlossen und kollektiv entgegentritt. Ein entschlossener und praktischer Antifaschismus hat die Nazis in die Flucht geschlagen, die Möbelwagenschlacht kann für die heutigen Auseinandersetzungen mit Neonazis als Vorbild dienen. Wichtig ist hierbei aber auch zu betonen, dass damals die Arbeiter_innen, Sozialdemokrat_innen und Kommunist_innen gemeinsam gehandelt haben. Hier stand der Kampf gegen den gemeinsamen Feind über den ideologischen Unterschieden der Arbeiter_innenparteien und den oftmals unüberbrückbaren Vorbehalten, die die Arbeiter_innenbewegung sonst trennte. Antikommunismus auf der einen Seite, die unsägliche „Sozialfaschismustheorie“ auf der anderen Seite, waren in der gemeinsamen Aktion vergessen. Hier lebte die die Einheitsfront gegen den Faschismus, die Antifaschistische Aktion! Zum anderen zeigt sich hier auch eine große Solidarität mit den Angeklagten im Landfriedensbruchprozess im März 1931. Die Angeklagten saßen gemeinsam auf der Anklagebank, aber ihnen standen Genossinnen und Genossen im Gerichtssaal und außerhalb zur Seite. SPD, KPD und Rote Hilfe riefen zu Kundgebungen auf und erklärten sich solidarisch mit den angeklagten Arbeitern – egal ob diese Kommunisten oder Sozialdemokraten waren. Auch dies ist bedeutsam für heute, wo antifaschistisches Engagement oft Repressalien zur Folge haben kann. So wird aktuell gegen hunderte Menschen ermittelt, die im Februar den Naziaufmarsch in Dresden verhindert haben.
Die Uelzener Antifaschistinnen und Antifaschisten zeigten im Jahr 1930 und 1931, dass Antifaschismus erfolgreich sein kann und Solidarität gegen Polizeigewalt, Repression und Klassenjustiz notwendig ist. Daran gilt es anzuschließen und gemeinsam in antifaschistische Aktion zu treten!
· Schlagwörter: Antifaschismus, Mübelwagenschlacht, NSDAP, Uelzen