In dem letzte Woche vorgestellten Verfassungsschutzbericht des sogenannten Bundesamtes für Verfassungsschutz des Jahres 2012 befinden sich ebenso wie im Verfassungsschutzbericht des Landes Niedersachsen neben unzähligen Halbwahrheiten, sowie Anschuldigungen ohne Belege auch dreiste Lügen. (mehr …)
Trotz Energiewende verurteilen Gerichte Atomkraftgegner für den Aufruf zum Protest
Der Streit ums »Schottern« der Castorstrecke ist noch nicht entschieden. Allein für den Aufruf zu der Aktion verhängen Gerichte Geldstrafen. Atomkraftgegner wollen das nicht auf sich sitzen lassen.
Wegen des Aufrufs zum »Schottern« der Castorgleise wurde ein 41-jähriger Atomkraftgegner aus Lüneburg zu einer Geldstrafe verurteilt. Olaf Meyer hatte beim Atommülltransport 2010 ins niedersächsische Gorleben bei einer Demonstration seine Rede mit den Worten beendet: »Atomausstieg ist Handarbeit! In diesem Sinne: Castor Schottern«. Damit war gemeint, Steine aus der Castorstrecke zu holen, um damit den Atommülltransport zum Stoppen zu zwingen. Das Amtsgericht Lüneburg sieht in den beiden Worten eine »öffentliche Aufforderung zu einer Straftat« und verurteilte den Mann nun zu 16 Tagessätzen.
Für Meyer ist die Entscheidung des Gerichts nicht nachvollziehbar. Atomkraftgegner werden verknackt, aber die Atomindustrie dürfe – trotz der Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima – weiterhin »Profite mit der höchst gefährlichen Atomtechnologie machen«. Er verzichtet dennoch auf Widerspruch und wird die 300 Euro zahlen.
Für zwei Mitglieder der LINKEN in Wilhelmshaven ist das letzte Wort hingegen noch nicht gesprochen. Sie wollen eine Entscheidung des dortigen Amtsgerichts anfechten, das sie Ende Mai zu 30 und 70 Tagessätzen verurteilt hatte. Grund für die happige Strafe: Die beiden hatten im vergangenen Jahr an ihrem Infostand Plakate der Kampagne »Castor? Schottern!« aufgehängt. Und zwar nicht zum ersten Mal. Ein Verfahren wegen desselben »Vergehens« war jedoch vom Amtsgericht eingestellt worden. Umso überraschter sind sie nun.
Auch der Streit über die Strafbarkeit der Schottern-Erklärung ist noch nicht entschieden. Rund 2000 Menschen hatten im Jahr 2010 im Internet ihre Sympathie für die Aktion erklärt. Die Polizei reagierte mit rund 1800 Ermittlungsverfahren gegen Unterzeichner, die Staatsanwaltschaft drohte mit saftigen Freiheitsstrafen. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Vielmehr will sie die Aktenberge vom Tisch haben und bietet Unterzeichnern an, auf die Klage zu verzichten, wenn sie einen kleinen Betrag an einen Verein überweisen. Aus Sicht der Schottern-Kampagne ein Beweis, dass es bei den Strafandrohungen vor allem um Abschreckung ging.
Eine Handvoll Aktivisten zahlte. Viele Unterzeichner meldeten sich auf Schreiben der Polizei aber gar nicht erst zurück. Rund 450 Verfahren wurden deshalb eingestellt, weil nicht eindeutig herausgefunden werden konnte, wer sich hinter der Unterschrift verbirgt.
Andere Atomkraftgegner wollen die Sache hingegen nicht sang und klanglos abhaken und einen richtigen Freispruch erreichen. Sie lassen es deshalb auf einen Prozess ankommen. Ein erster Atomkraftgegner wurde im März verurteilt, in zwei Wochen steht ein weiterer Schottern-Aufrufer in Lüneburg vor Gericht. Auch Bundestagsabgeordnete der LINKEN wollen die Frage juristisch klären lassen. Sie haben das Einstellungsangebot abgelehnt, die Staatsanwaltschaft will die Aufhebung ihrer Immunität beantragen. Die Kampagne »Castor? Schottern!« sammelt Spenden zur Unterstützung. Wie viel sie noch brauchen werden, ist unklar. Über 1000 der eingeleiteten Ermittlungsverfahren sind eineinhalb Jahre nach dem Castortransport noch offen.
Auch beim bislang letzten Castortransport ins Wendland im November haben wieder zahlreiche Menschen ihre Solidarität mit den angekündigten Schottern-Aktionen ausgedrückt. Der Text meinte dasselbe, war aber etwas anders formuliert. Die Staatsanwaltschaft dürfte erleichtert gewesen sein. Sie will diesmal keine Verfahren wegen des Aufrufs einleiten, heißt es.
Amtsgericht erteilt Anti-Atomkraft-Aktivist eine Strafe in Höhe von 480 Euro. Das verursachte wütende Zwischenrufe im Gerichtssaal.
Lüneburg. „Ich danke Ihnen für diese erhellenden Worte“, sagt Richter Rüdiger Hobro-Klatte, bevor er sich für etwa eine Viertelstunde zur Urteilsfindung zurückzieht. Vor ihm hatte der Angeklagte Olaf Meyer das „letzte Wort“. Zum Ende seines Statements sagte der langjährige Aktivist der regionalen Anti-Atom-Bewegung: „Zum Castor, zu Gorleben, zum ´Atomausstieg´ ist alles gesagt. Aber jetzt ist es dran, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Wir müssen alle gemeinsam mit unterschiedlichsten Aktionen den Castor aufhalten. Atomausstieg ist Handarbeit. In diesem Sinne: Castor Schottern!“
Damit wiederholte er genau die Worte, die ihn gestern Morgen auf die Anklagebank im Amtsgericht am Ochsenmarkt gebracht hatten.
Nur wenige Meter entfernt, auf dem Marktplatz vor dem Lüneburger Rathaus, hatte Meyer am 5. November 2010 auf einer Kundgebung gesprochen, zu der nach Veranstalterangaben 2000 Demonstranten gekommen waren. Zum Abschluss seiner Rede hielt Meyer ein 50 mal 70 Zentimeter großes Plakat der Kampagne „Castor Schottern“ hoch. Das stellt für die Staatsanwalt Lüneburg eine „Öffentliche Aufforderung zu Straftaten in Verbindung mit Störung öffentlicher Betriebe“ dar.
„Was in diesem Zusammenhang Schottern bedeutet, hat wohl selbst der letzte Depp begriffen“, sagt Richter Hobro-Klatte. Man müsse nur „eins und eins zusammenzählen“. Das Plakat zeigt ein Kind, das mehrere Steine aus einem Gleisbett sammelt.
In einem ähnlichen Prozess hatte Hobro-Klatte am 15. März den 50 Jahre alten Gotthilf Lorch zu einer Geldstrafe von 375 Euro verurteilt. Der Mann aus Tübingen hatte sich bei der Verhandlung in Lüneburg unumwunden dazu bekannt, dass er einen Aufruf zum sogenannten Schottern der Castor-Strecke auf einer Internetseite namentlich unterzeichnet hatte. Er habe damit seine Solidarität mit den Aktivisten zum Ausdruck bringen wollen. Selbst handfest an der Aktion teilzunehmen, sei ihm aufgrund einer Körperbehinderung nicht möglich gewesen. Direkt aufgefordert, eine Straftat zu begehen, habe er damit aber niemanden.
Das Amtsgericht folgte jedoch der Argumentation der Staatsanwaltschaft Lüneburg. Demnach habe sich der Unterzeichner der Solidaritätsbekundung die Erklärung zu eigen gemacht und daher öffentlich mit dazu aufgerufen, die Schienenstrecke zu unterhöhlen und damit für den Bahntransport von Castor-Behältern mit Atommüll durch das Wendland unpassierbar zu machen. Diese illegale Protestform gegen Transporte in das Atommülllager in Gorleben ist ein relativ neues Phänomen.
Seit zwei Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Lüneburg gegen knapp 1780 Menschen und Gruppen, die wie Lorch die Schottern-Erklärung unterzeichnet hatten. Mehr als 300 dieser Verfahren hat die Ermittlungsbehörde inzwischen eingestellt. Vielen anderen der Unterzeichner bot sie dies ebenfalls an, wenn die Beschuldigten im Gegenzug eine Spende an eine gemeinnützige Organisation leisten.
Gotthilf Lorch, der zum Zeitpunkt seiner Unterzeichnung Landtagskandidat der Linkspartei in Baden-Württemberg war, hatte vor Prozessbeginn eine Einstellung des Gerichtsverfahrens gegen eine Zahlung von 100 Euro abgelehnt. Zahlreiche Unterstützer der regionalen Anti-Atom-Bewegung hatten die Begründung des Urteils gegen Gotthilf Lorch von den Besucherbänken aus mit Zwischenrufen quittiert.
Bei dem gestrigen Prozess gegen Olaf Meyer, der gegen einen Strafbefehl in Höhe von 300 Euro Einspruch eingelegt hatte, steigerte sich das Protestpotenzial. Rund 50 Zuhörer nahmen im Verhandlungssaal 8 des Amtsgerichts Platz. Weitere Besucher ließen die sieben eingesetzten Justizfachmeister, die für die Sicherheit im und vorm Gerichtssaal sorgten, nicht mehr herein.
Heraus ging die Mehrzahl der Zuhörer aber bereits vor dem Schluss der Verhandlung. Ein erstes lautes Raunen ging durch den Raum als Richter Hobro-Klatte eine Geldstrafe von 16 Tagessätzen zu je 30 Euro verkündete. Die Staatsanwaltschaft hatte 15 Tagessätze gefordert. Den kollektiven Auszug ins Freie führte der Angeklagte selbst an – nach einer Bemerkung des Richters.
Weil Meyer anders als Lorch nur verklausuliert zu seiner Straftat gestanden habe, nannte Hobro-Klatte ihn „ein Stück weit feige“. Damit erntete er wütende Zwischenrufe wie „Frechheit!“ und „Unverschämt!“. „Das hier ist doch ein Kasperletheater“, sagte dazu Kletteraktivistin Cécile Lecomte ironisch. Darin gab ihr der Amtsrichter Recht.
Lüneburger Rundschau (Hamburger Abendblatt), 1. Juni 2012
Das Amtsgericht Lüneburg verurteilte den Sprecher der Antifaschistischen Aktion Lüneburg/Uelzen wegen einem angeblichen „Aufruf zu Straftaten“ zu einer Geldstrafe in Höhe von 320 Euro.
Im Februar 2011 blockierten in Dresden zehntausende Antifaschist_innen den ehemals größten Naziaufmarsch Europas. Sitz- und Stehblockaden, Spontandemos und militante Aktionen machten den Tag der rund 2500 angereisten Nazis zu einem Desaster und das trotz der vorherigen Ankündigung der Polizei, den Aufmarsch der Nazis um jeden Preis durchsetzen zu wollen. (mehr …)